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02-2011

Judith Hélène Stadler und Ernst Axel Knauf Hedwig Anneler (1888-1969) und ihre Berner Dissertation. Zur Geschichte der Juden von Elephantine von 1912. Eine Erinnerung zum hundertjährigen Doktorjubiläum einer bemerkenswerten Frau.

Abstract:

Hedwig Anneler was one of the first women to achieve a Ph.D. from the University of Bern , and her thesis was one of the first monographs dedicated to the Jewish military colony of Elephantine in Achaemenid Egypt, after most of the papyri had been edited in 1906 and 1911. J.H. Stadler traces the life of Hedwig Anneler (part I+II) and E.A. Knauf places Hedwig Anneler's thesis in the context of Elephantine studies and the history of Israel (part III). Hedwig Anneler became a prolific writer. She fought against discrimination (of women and of Jews), iniquity, and violence. She died 1969, two years before Swiss women were granted the right to vote.

Hedwig Anneler était une des premières femmes qui a obtenu un Ph.D. à l’Université de Berne, et sa thèse a été une des premières monographies dédiées à la colonie militaire juive  à Eléphantine de l’Egypte achéménide après l’apparition des papyri 1906 et 1911. J.H Stadler a suivi les traces de la vie de Hedwig Anneler, tandis que E.A. Knauf apprécie sa thèse  dans le contexte des études concernant Eléphantine et l’histoire d’Israël. Hedwig Anneler est devenu femme de lettres et a lutté contre la discrimination (des femmes et des juifs),  l’inégalité et la violence. Elle est décédée en 1969, deux ans avant l’introduction du droit de vote des femmes.

I. Hedwig Annelers Jugend und Studium

Am 15. Mai 1912 wurde an der ,Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Bern’ die Dissertation Zur Geschichte der Juden von Elephantine von Hedwig Anneler auf Antrag von Prof. Dr. Philipp Woker [1] und Prof. Dr. Karl Marti [2] angenommen. Dieses Ereignis ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Erstens gab es zu dieser Zeit erst wenige Frauen, die in Allgemeiner Geschichte, Geographie und semitischen Sprachen promovierten (Hedwig Anneler schloss als erste Frau in Bern ihr Studium an der philosophisch-historischen Fakultät in Hebräisch, Aramäisch und Syrisch summa cum laude ab), zweitens war sie unter den ersten, welche das Thema Elephantine zusammenhängend darstellten und drittens war ihre Forschungsmotivation ungewöhnlich: [3] sie wollte mit ihrer Dissertation „tief gewurzelt(en) Meinung(en)“ über Juden widersprechen und vertrat die Ansicht, dass der „Hauptwert der Papyri“ von Elephantine darin bestünde, „dass sie manche Vorurteile und Irrtümer“ über die Juden „immer mehr zum Verschwinden bringen werden ...“? [4] Welchen familiären und kulturellen Hintergrund hatte diese Frau? Wie wurde ihre Dissertation rezipiert? Wie verlief ihr Leben nach dem Studium? Welches ist der Stellenwert ihrer Dissertation aus heutiger Sicht?

Eltern und Kindheit

In der Sekundärliteratur wird Hedwig Anneler als „bernjüdische Historikerin“ bezeichnet oder zumindest ihre Eltern gelten als „assimilierte zum Protestantismus übergetretene Juden“.[5] Diese Einschätzungen hätten Hedwig Anneler gewiss geehrt, setzte sie sich doch Zeit ihres Lebens für Verfolgte, insbesondere für verfolgte Jüdinnen und Juden ein. Doch die Realität sah anders aus:
Hedwig Anneler wurde am 5. Februar 1888 als jüngstes von vier Kindern geboren. Der Vater, der protestantische Franz Ludwig Anneler (geb. 1847) mit dem Bürgerort Thun, war Buchdrucker und Fabrikant von Buchdruckwalzen in Bern. Unter seinen Vorfahren gab es eine Reihe reformierter Pfarrer. So war sein Vater, Johann Karl Rudolf Anneler, Pfarrer in (Ober-) Diessbach. Seine Mutter, Anna Anneler-Sprüngli, stammte aus der Stadt Bern. Auch unter ihren Vorfahren fanden sich Pfarrer. Der (Münster-) Werkmeister Niklaus Sprüngli (1725-1802), der u.a. die Berner Bibliotheksgalerie erbaut hatte, gehörte ebenfalls zu ihren Ahnen. [6]
Hedwig Annelers Mutter, die reformierte Marie Anneler-Beck (1854-1933), war eine für ihre Zeit ungewöhnliche Frau. [7] Es scheint, dass vor allem sie es war, die ihre Kinder förderte und ihnen gute Ausbildungen angedeihen liess. Sie stammte aus einer alten Schaffhausener Künstlerfamilie. Ihr Vater, der Maler Johann Heinrich Beck, verkehrte vor allem mit seinen Verwandten, den vier Glasmalern Johann Martin Beck (der Ältere), Johann Jakob Beck (der Ältere), Ferdinand Alexander Beck und Johann Jakob Beck (der Jüngere). Auch der Bildhauer J. J. Oechslin gehörte zu diesem Kreis. [8] Marie Anneler-Beck erinnert sich: „Ich wurde als kleines Anhängsel meines Vaters im Kreise der Männer geduldet, ohne dass man besondere Notiz von mir genommen hätte ... Eigentlich kam es ganz von selber, dass ich Malerin wurde.“ [9] Nach der Schule lernte sie beim Vetter ihres Vaters, Ferdinand Alexander Beck (1814-1892), ebenfalls das Handwerk der Glasmalerei. Sie äussert sich später dazu: „Freilich hätte ich am liebsten gründlich Studien in der Figurenmalerei gemacht: das war aber damals ohne sehr grosse Opfer nicht möglich für ein Mädchen, und so bot mir die Glasmalerei vollständig Ersatz. Ich lernte die alte, sogenannte Schweizermanier ... Es war nicht leicht und gab manchen Kampf. Aber ich hatte meine Kunst über alles lieb, war sie doch ein Stück meines eigensten Wesens.“ [10] In einem Nachruf heisst es: „Zeichnungen der Zwölfjährigen rissen einen Maler von Ruf ... zu dem Ausspruch hin: ‚Sie hätte ein Raffael werden können!’ – Als Mann, ja. In ihrer Stadt, in ihrer Zeit, galt Kunst nichts, und Kunstbegabung bei einem Mädchen als Makel, besonders ohne ‚goldenen Hintergrund’. Und ihr Vater verlor, als sie noch Kind war, unverschuldet Hab und Gut. Trotz dieser doppelten Last vermochte sie, wie ein eingezwängtes Wasser, das durch jede Ritze des Wassers drängt, um bald als Bach, als Fluss, oder wenigstens als Tau und Schnee sein Gebot zu erfüllen, ihre Begabung in stets neuerer Gestalt auszuwirken.“ [11]
Bis zu ihrer Verheiratung 1882 fertigte Marie Beck Kabinettscheiben an, restaurierte Glasfenster und Gemälde (z.B. Bürki, Bern; Reveillod, Genf; Scheiben des Klosters Wettingen und der Ariana in Genf). Nachdem ihre Kinder herangewachsen waren, begann Marie Anneler-Beck ab 1902 unter dem Pseudonym Hans Eck, später unter ihrem eigenen Namen für die Zeitschrift ‚Helvetia’ zunächst vor allem Liebesgeschichten [12] und erbauliche Erzählungen [13] zu publizieren. Als diese eingestellt wurde, schrieb sie regelmässig für die Zeitschrift ‚Die Garbe’. [14]
Ab und zu besuchte Marie Anneler-Beck zwischen 1894 und 1914 mit ihren Kindern ihre Schwester in Thüringen. [15] Diese war Kastellanin des Schlosses Altenstein [16] des Herzogs von Sachsen-Meiningen. Hedwig Anneler erinnerte sich später: „ Meine ... „Kindheit und Jugend war durchgoldet gewesen vom ‚Musenhof’ des ‚Theaterherzogs’ Georg von Sachsen-Meiningen her, wo eine Schwester meiner Mutter ... als Verwalterin von Schloss Altenstein lebte ...“. [17] Vor allem ihre Mutter verwertete das dort Erlebte in ihren Artikeln. [18] Doch auch ihre Kindheit und Jugend in Schaffhausen, ihr Aufwachsen in einer Künstlerfamilie, die Schwierigkeit, sich als Mädchen überhaupt und später als berufstätige Frau, insbesondere in einem Männerberuf, zu behaupten, waren Marie Anneler-Becks Themen. [19]
1893 verwahrte sich Marie Anneler in einem anonymen Leserbrief dagegen, dass der Lehrerinnenberuf der einzige sei, der sich für intelligente Frauen eigne: „Im Aufsatz: ‚Ein Wort über Schulabsenzen ...’ ... steht wirklich gedruckt zu lesen: ‚Der Lehrerinnenberuf ist der einzige, welcher der intelligenten Frau zu Gebot steht!’ Die Einseitigkeit dieser Behauptung ist zu stark ... Wir haben weibliche Bureauangestellte aller Art, z.B. Post und Telegraph. Bedienstete, die wohl ebenso gut Intelligenz und Geschick nötig haben ... Wird der Lehrerberuf nur deshalb erwählt, weil er ‚die einzige Verwertung weiblicher Intelligenz’ ist, so wäre das ein Armutszeugnis für alle Lehrerinnen, die mit Lust und Liebe zur Sache, in die kleinen und grossen Herzen der Mädchen einen festen, gesunden Grund fürs Leben zu legen, bemüht sind.“ [20]
Dennoch erlernte ihre begabte jüngste Tochter zunächst diesen Beruf. Dass Hedwig Anneler nicht dabei stehen blieb, sondern weiter Geschichte studierte, verdankte sie möglicherweise hauptsächlich ihrer Mutter. Denn schon diese zeigte grosses Interesse an Geschichte, was in ihrer Familie zu liegen schien: „Der Sinn für alte Bauwerke, für Geschichte und Sage der Vorzeit, wurde durch meinen unvergesslichen Vater, den Maler Johann Heinrich Beck, gepflegt.“ [21]
Hedwig Anneler wurde – wie sie es später selber schildert – in „ frommen reformierten Kreisen ... erzogen“, worunter sie „Sonntagsschule, Kinderlehre, Unterweisung, christliche Privatschule und ... Elternhaus“ verstand. [22] Ihre Eltern, die sie als stolze, rechtschaffene Leute darstellt, erzogen sie dazu, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese, wenn es nötig war, auch gegen eine vorherrschende Mehrheitsmeinung zu vertreten und dann nach ihrem Gewissen zu handeln: „Der geliebte Vater, vornehm in seiner Schlichtheit, mit seinen arbeitliebenden, reinen Händen, ... aus früher lang herrschenden Kreisen herkommend ... (erklärte) dem Mädchen: ‚Sieh, Opposition muss sein in einem rechten Land! Wenn nur eine Partei die Macht hat, gibt’s Missbrauch und Fäulnis!’ Und die geliebte Mutter ..., die uns Kindern so oft gesagt hatte, wenn etwa eins davon sprach, ‚alle’ täten dies oder das, - ‚man denke eben so oder so’ ... : “Wenn alle in einen Abgrund hinabspringen, so musst du auch nach?“ – „Wer ist dieses ‚man’? Hilft so ein ‚man’ dir hinaus, wenn du etwas falsch gemacht, wenn du gesündigt hast?“ – „Wer sind ‚die Leute’? Du bist selbst und allein antwortlich für das, was du tust! Sterben und sich vor Gott verantworten muss jeder Mensch allein. Das nimmt einem niemand ab. Hör auf dein eigenes Gewissen! Das sagt dir, was recht und was unrecht ...“ [23]
Im Zusammenhang mit ihrem Hauptwerk ‚Blanche Gamond’ berichtet Hedwig Anneler, dass sie „durch zwei Ahninnen, einige Tropfen südfranzösischen Hugenottenblutes in sich trägt“. Ihre „Vorfahren, von Vater- und Mutterseite her“ sind „seit Jahrhunderten freie, unabhängige Leute gewesen“. Selber beschreibt sie sich als eine Frau, deren Herz von klein auf für die Rechte der Frauen schlug“ und die „stets in Glut geriet, wenn sie irgendwo Unrecht geschehen sah“. [24] Dasselbe hätte wohl so schon ihre Mutter schreiben können.

In unmittelbarer Nachbarschaft der Annelers, die mit ihren vier Kindern am Malerweg 9 in Bern wohnten, lebten der Theologieprofessor Eduard Müller und seine Frau. [25] So lernte Hedwig Anneler schon früh deren Enkelin Gertrud Woker (1878-1968), die nachmalige Chemikerin, Frauenrechtlerin und Friedenskämpferin kennen. [26] Sie würde ihr später eine teure Freundin und Mitstreiterin sein und ihr zeitlebens als Vorbild dienen. Anlässlich des 80. Geburtstags von Gertrud Woker formulierte Hedwig Anneler folgende Zeilen: „Was für ein Freudentag ... für all die Ungezählten, über die ganze Weltkugel Verstreuten, die Dich als Vorkämpferin für den Frieden kennen, verehren und lieben! Ein Ehren- und Freudentag für die Internationale Frauenliga, der Du durch Deine Lebensarbeit Glanz und immer neue Hoffnung geschenkt hast! Ein stolzer Tag für uns Schweizerinnen und uns Frauen alle ... ich mag fünf- oder sechsjährig gewesen sein, als ich an einem Nachmittag, unter einem Stachelbeerbusch hinter unserm Gartenzaun kauernd, um mich an grasgrünen ... Stachelbeeren zu erlaben, auf einmal leichte Schritte herannahen hörte, auf dem Falkenweg, und staunend ein junges Mädchen oder eine Zauberelfe herannahen und ins Nachbarhaus eintreten sah ... Ja, das warst Du!
Deine Grossmama kannte ich ja, die oben in jenem grossen Haus uns gegenüber wohnte und auf einem breiten Sofa zu sitzen pflegte ... Und Deinen Grosspapa, den würdevollen Theologieprofessor Müller, stets in Schwarz, die Haare weiss, das Gesicht frisch und rot, die Haltung sehr stattlich, sah ich jeden Tag aus jener Haustüre treten.“ [27]

Um 1910 porträtierte Hedwigs Bruder, Karl Anneler, soeben von der Münchener Kunstakademie zurückgekehrt, seine Schwester als ‘Engadinerin’ (Abb. 2).

Die Familie Anneler und die russischen Juden in Bern um 1900

Als um die Jahrhundertwende viele Ostjuden aufgrund russischer Pogrome in Bern strandeten, riefen sie bei der Familie Anneler, im Gegensatz zu vielen ihrer Schweizer Zeitgenossen, keine Ängste hervor. Im Gegenteil: Viele ostjüdische Studenten fanden bei den Annelers ein offenes Haus. Da sich unter ihnen auch viele Zionisten befanden, sang und spielte man mit ihnen „mit Begeisterung“ jüdische Lieder, sprach von Theodor Herzl und diskutierte den zukünftigen Judenstaat. Um einem begabten Studenten aus Russland ein kleines Einkommen zu ermöglichen und ihn nicht mit Spenden zu beschämen, kam die Familie auf die Idee, dass er die begabte 15-jährige Hedwig in Hebräisch unterrichten könnte. Hedwig schrieb und sprach schon bald diese Sprache. [28] Sie las aber nicht nur hebräische Literatur. Die Erzählungen von Mendele Moicher Sforim, Mordechai Zeev Feuerberg und Isaak Leib Perez las sie auf Jiddisch und hörte selber noch eine Lesung von Scholem Aleichem. Hedwigs Lehrer Jehuda Marschak scheint mindestens eine gewisse Zeit bei den Annelers gewohnt zu haben. [29] Hedwig wurde von ihren zionistischen Freunden eingeladen und lernte jüdische Bräuche und Feste kennen. Vor allem wusste sie sehr wohl über die Pogrome Bescheid. Sie unterrichtete Kinder einer russisch-jüdischen Familie in Bern, die drei Pogrome durchgemacht hatten und immer noch traumatisiert waren. [30]
Die Begegnungen mit den russischen Juden beeinflussten die ganze Familie. Marie Anneler-Beck begann zionistische Märchen zu schreiben, von welchen eines in einem jüdischen Publikationsorgan veröffentlicht wurde. [31]

Schule und Studium

Nachdem Hedwig Anneler von 1898 bis 1903 die städtische Mädchensekundarschule durchlaufen hatte, trat sie 1904 in das Seminar der Neuen Mädchenschule ein und erwarb dort 1907 das Primarlehrerinnen-Patent. Anschliessend besuchte sie die Lehramtsschule der Universität Bern, wo sie am Ende des Sommersemesters 1909 die Patentprüfung für Sekundarlehrer der historisch-sprachlichen Richtung bestand. Danach setzte sie ihr Geschichtsstudium fort und belegte bei Professor Marti an der Theologischen Fakultät nebst den theologischen Fächern besonders Hebräisch, Aramäisch und Syrisch. Zu dieser Zeit studierte sie zusammen mit vielen Zionisten, bei denen Martis Veranstaltungen beliebt waren. Mit dem Prädikat Summa cum laude promovierte sie als erste Frau in den Sprachen des Alten Orients. [32] Eine sich im Nachlass von Marti befindliche Klausurarbeit von Hedwig Anneler zum Thema Die hebräische Literatur des 6. Jahrhunderts vor Christus erstaunt durch ihre Darstellung. Das Schriftbild wirkt wie gedruckt und weist keine einzige Streichung auf. Im Vergleich zu anderen Arbeiten ist die ihrige die umfangreichste. Sie wurde mit der Bestnote 1 belohnt. [33]

Es könnte durchaus sein, dass Hedwig Anneler mit ihren Berufen Sekundarlehrerin und Historikerin dem Vorbild ihres nur um acht Jahre älteren Hebräisch-Lehrers Jehuda Marschak folgte. [34] Das Vorlesungsverzeichnis der Universität Bern verzeichnet zwei Immatrikulationsdaten dieses jungen Mannes: 1900/01 und 1904/05. [35] Wie aus Briefen des Nachlasses von Prof. Karl Marti geschlossen werden kann, hatte Jehuda Marschak bei ihm studiert und 1907 zum Thema Restauration der Juden nach dem babylonischen Exil doktoriert. [36] Zuvor könnte er ein Sekundarlehrerstudium in Angriff genommen haben, denn später gründete er in Palästina „die ersten Sekundarschulen nach Schweizerart“. [37] Für seine Abendkurse in Geschichte und moderner Bibelerklärung, die er für die „erwachsene Jugend“ in Petach Tikwa einrichtete, kamen ihm die bei Marti erworbenen „Metoden (sic) d. Forschung u. Erklärung der Bibel“ sehr zugute. [38] Da Jehuda Marschak schon im Herbst 1907 nach Palästina auswanderte, war ihm Hedwig Anneler bei der Drucklegung der Dissertation in Frankfurt a./M. behilflich. [39]

Karl Marti

Hedwig Anneler verehrte ihren Professor Karl Marti. Nicht nur seine Fächer und sein breites Allgemeinwissen kamen ihren Interessen entgegen, sondern sie fühlte sich auch durch seine Integrität und seinen Gerechtigkeitssinn angesprochen. Nach seinem Tod fragte sie sich, wer nun bei Ungerechtigkeiten seine Stimme erheben würde. [40] In ihrem Nachruf im Bund vom 28. April 1925 erinnert sie an ‚bessere Zeiten’ an der Universität Bern. [41] Hier kommen Züge Karl Martis zum Ausdruck, die Hedwig Anneler ein Leben lang prägten:
„Er war ein echter Gelehrter. Haben wir ihrer noch viele? Wie sind die Hallen unserer Hochschule so leer geworden ... Bern durfte stolz sein auf seine „hohe Schule“. Wie das noch wimmelte in den Jahren vor dem Krieg, von suchenden, lernenden, strebenden Menschen ... Viel um Martis willen kamen die Hörer geströmt. Wohl gibt es keinen Erdteil, der ihm nicht Schüler gesandt hatte. Von seinem Geiste leben heute Lehrer in Amerika, in den östlichen Ländern, wer weiss, wo überall, die mit seinem Lichte neue Lichter anzünden. Seine wärmsten, die nächsten Kinder seines Geistes vielleicht, leben und lehren – ausser in Deutschland – in Palästina. Man muss es gesehen haben, wie die Augen der dortigen zionistischen Lehrer – in Jaffa besonders, in Jerusalem, in den jüdischen Kolonien – wie sie leuchten: „Unser Marti!“ ... Männer, die vor zwanzig Jahren und mehr seine Schüler waren, sandten ihm trotz ihrer armen Umstände, alljährlich Geschenke – die erste hebräische Landkarte von Palästina z.B., oder wenn es auch nur Orangen waren, die honigsüssen Orangen von Rischon-le-Zion. Und wenn dort einmal der arme, dürre Boden [42] doch noch blühen sollte – gar manche prangenden Lilien dort werden ihr Dasein Karl Marti verdanken. Was war es denn, was Karl Marti gab? Denen, die sich im Hebräischen noch mit der Grammatik herumquälten, ihnen mochte es weniger erscheinen – Grammatik, nüchtern, trocken, peinlich genau, wie nur irgendein gewissenhafter Lehrer sie unterrichten kann – die Sprachregeln und -gesetze des Hebräischen, des Aramäischen, des Syrischen und Arabischen (sic). Da war er bis aufs Tüpflein genau. Dann den eigentlichen Berufstheologen, angehenden Pfarrern – und manchem schon im Amte erprobten Rabbi. Textkritik. Dieser herrliche, farbenleuchtende Teppich des alten Testaments [43] – in welchen Zeiten, von was für Händen, aus was für Fasern ist er gewoben worden? Dieses köstliche, leuchtende Gemälde ... wurde hier vom Staub der Jahrhunderte gereinigt, geprüft und untersucht ... und zeigte sich als ein herrlich Mosaikbild aus unzähligen, kleinen, leuchtenden Steinlein in langen Zeiträumen zusammengesetzt – ... Aber dann führte der Lehrer weiter. Und er zeigte an dem Bilde das Leben, das darin aufbewahrt liegt ... Eine Welt öffnete sich – besonders in Martis Geschichte der israelitischen Religion.“ [44]
Annelers Interesse an Elephantine wurde in einer Veranstaltung von Professor Karl Marti im Wintersemester 1910/11 geweckt. In dieser wurden die von Staerk veröffentlichten Urkunden gelesen. [45] Mit ihrer Dissertation wollte Anneler die Entstehungszeit der Papyri und die Verhältnisse in Elephantine untersuchen und herausfinden, welche Stellung die Juden in Ägypten hatten, ob sie zum Beispiel politisch gleichberechtigt waren. [46] Dieses Anliegen ist in seiner Zeit und aus Annelers Erfahrungen mit russisch-jüdischen Emigranten zu verstehen. Denn in der Schweiz stiess die Flüchtlingswelle im Allgemeinen auf Unverständnis und weckte schon bald ‚Überfremdungsängste’.
So wurde von jüdischer Seite positiv auf Annelers Dissertation reagiert. Die Jüdische Volksstimme schrieb: „... Und da kommen ... Aegyptens Papyri und bezeugen, dass die Juden stets das Kriegshandwerk pflegten, dass sie ihren Nachbarvölkern nie an Mut nachstanden, ja sogar in Aegypten die Festungsbesatzungen der Perser bildeten, also Berufssoldaten waren ... Anneler lässt uns auch in die religiösen, politischen und sozialen Verhältnisse der Juden in Elephantine einen Blick werfen, zeigt uns, dass die Juden nicht in Ghetti gepfercht waren, sondern überall wohnen durften, dass sogar Priester, Aegyptens vornehmste Kaste, neben Juden wohnten, dass sie ihre Tempel besassen, kurz, in allem ihren Mitbürgern wirklich gleichberechtigt waren. Alle diese Ergebnisse hat der Autor in wirklich geistreicher Weise miteinander in Verbindung gebracht und gibt uns, indem er die Tatsachen, von denen die Papyri und Ostraka berichten, zu einem Ganzen zusammengefasst, ein klares Bild des jüdischen Lebens in Elephantine.“ [47]
Im Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur wurde herausgestrichen, dass das Werk von einer Frau stammt und das Thema erst noch ansprechend und verständlich dargestellt ist: „Die bereits stark angewachsene Literatur über die jüdische Kolonie in Elephantine und ihren merkwürdigen Tempel hat jetzt eine Dame, Hedwig Anneler, um eine gediegene und tief in das umfangreiche Material eindringende Monographie vermehrt. Dieses Buch, das sich ausserdem auch durch eine richtige Geschichtsauffassung auszeichnet, ist zwar auf streng wissenschaftlicher Grundlage basiert, aber doch anziehend gehalten und auch gebildeten Laien verständlich. Illustrationen, die den behandelten Stoff veranschaulichen, verleihen dieser trefflichen Arbeit einen besonderen Reiz.“ [48] Auch in späterer Zeit drückte sich Hedwig Anneler selbst für das nicht gebildete Publikum verständlich aus und verfiel nie wissenschaftlichem Jargon. Die hier erwähnten Illustrationen stammen von Hedwigs Bruder, dem bekannten Maler Karl Anneler. [49]
In der NZZ wurde Hedwig Annelers Dissertation ebenfalls lobend erwähnt. „Ihr Stoff“, seit 1904, resp. 1906 und 1908 durch Otto Rubenson entdeckt und von Eduard Sachau 1911 veröffentlicht, sei „ganz neu“. Eduard Sachau habe mit seiner Publikation daneben gegriffen. Hier wurde auch auf die Bedeutung von Karl Martis Studenten in der Forschung hingewiesen: „Mehrfach haben gerade Schüler von Marti Wertvolles beigetragen, und die Arbeit von Dr. Hedwig Anneler ist neben einem sehr lesenswerten kleinen Buche von Eduard Meyer (Der Papyrusfund von Elephantine, 1912) in besonderer Weise geeignet, die Bedeutung dieser Papyri weiterhin eindrücklich zu machen. Es mag für die Bernerin keine kleine Freude gewesen sein, als sie nach dem Abschluss ihrer Untersuchung bei Meyer fand, dass der berühmte Historiker mit ihr in verschiedenen Schlussfolgerungen zusammentrifft ...“ [50]
Auch Gertrud Woker unterliess es nicht, im Berner Intelligenzblatt über das Werk ihrer um zehn Jahre jüngeren Freundin zu berichten. „ ... Von dem hohen Interesse [an den Elephantine-Papyri] ... zeugt bereits eine reiche Literatur. Zum grössten Teil besteht sie aus Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften, die selbst dem Fachmann nicht alle zugänglich sind. Um so mehr ist das Unternehmen von Frl. Dr. phil. Hedwig Anneler zu begrüssen, die sich in einer Arbeit ... die Aufgabe stellt, die Resultate, welche die Papyri darbieten, in geschichtlichem Rahmen vorzuführen ... Einleitend behandelt die Verfasserin die Lage und Bedeutung von Elephantine-Syene und kommt dann nach Klarlegung der Stellung der Juden nach finanzieller, sozialer und politischer Seite hin auf die wichtige Frage nach dem Berufe der Juden zu sprechen. Frl. Dr. Anneler hat sich die Beantwortung dieser für die ganze Auffassung grundlegenden Frage nicht leicht gemacht, indem sie zunächst auch ohne Herbeiziehung jener in den Urkunden öfters vorkommenden Bezeichnung ‚Jüdisches Heer’ zu dem Resultate gelangt, dass wir es mit jüdischen Militärkolonisten zu tun haben. Diese Beweisführung ist ganz neu ... Allerdings ist die Existenz eines Jaho-Tempels in dieser Zeitepoche auffallend, da ja seit 621 [51] mit der Einführung des deuteronomischen Gesetzes durch ... Josia der ganze Kult auf Jerusalem zentralisiert war. Diese scheinbar einander widersprechenden Tatsachen werden in durchsichtiger Weise erwogen und finden auch eine durchaus befriedigende Erklärung. In den beiden letzten Abschnitten entwirft die Verfasserin eine kurze Geschichte dieser jüdischen Kolonie, die zirka 570 vor Christus durch einen Teil jener nach dem Falle Jerusalems nach Aegypten geflüchteten Juden entstand und mit dem Sturze der persischen Herrschaft über Aegypten ihr Ende nahm ... Dem Fachmann wird die hier geleistete Kleinarbeit nicht verborgen bleiben. Die angestrengte Arbeit der Philologen wird zwar noch manchen Papyrus ... ins rechte Licht zu setzen vermögen ... Aber Frl. Dr. Hedwig Anneler hat in anerkennenswerter Weise den ersten Versuch gemacht, jene geschichtlichen Verhältnisse zu einer zusammenhängenden Darstellung zu bringen.“ [52]
Auch im Ausland wurde Anneler wahrgenommen. [53]
Dreissig Jahre später wurde Annelers Dissertation nochmals kurz in der Schweizer Presse erwähnt. Gelobt wurde nun vor allem Albert Vincents 1937 erschienenes über 700-seitiges Werk über Elephantine. Während die 130 Seiten von Eduard Meyers Werk dem Verfasser des Artikels erwähnenswert scheinen, verschweigt er die 150 Seiten von Annelers Dissertation. [54] Heute ist ihre Dissertation zu Unrecht der Vergessenheit anheimgefallen.

II. Nach dem Doktorat

Lötschen, 1912-1922

Nach dem Studium bis 1914 unterrichtete Anneler während den Sommermonaten. Im Rückblick auf diese Zeit streicht sie heraus, wie wichtig ihr der Geschichtsunterricht war. „Ich liebte meine Schüler und das Unterrichten, war aber ... sehr scheu und hielt gar nichts von mir ... Ich hätte aber das Schulwesen abändern mögen. (Mir schien, man könnte den Geschichtsunterricht ... in den Mittelpunkt stellen und von ihm aus den Unterricht in die einzelnen Fächer abzweigen. Die Kinder würden solcherart auf natürliche Weise zu Menschen von heute und sogar von morgen.)“ [55] Obwohl sie – möglicherweise unter anderem wegen ihrer Schüchternheit – nur sehr kurze Zeit im Schuldienst stand, blieb sie im Grunde ihr Leben lang Lehrerin. Zwar standen im weiteren Schaffen nicht mehr Jugendliche im Vordergrund, doch versuchte sie nun, durch ihre Schriften und Vorträge Erwachsene zu informieren und zum Nachdenken anzuregen. Dabei stellte sie oft die Geschichte in den Vordergrund.
Ab November 1912 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zog sie jeweils im Spätherbst zu ihrem älteren Bruder, dem Kunstmaler Karl Anneler, ins Lötschental, der dort schon in den vorangehenden Jahren gewirkt hatte, „um, wie man im Familienrat beschlossen hatte, ein Vorwort für seine Bildermappe zu schreiben ...“ [56]. Doch aus dem geplanten Vorwort wurde ein intensives Zehn-Jahres-Projekt.
Anfänglich gab es noch keine Lötschbergbahn: Die Geschwister mussten von Bern über Lausanne und das Rhonetal hinauf nach Gampel fahren. Der anschliessende Fussmarsch durch die Lonzaschlucht über Goppenstein nach Blatten dauerte mehrere Stunden. In Blatten, wo es in den ersten Jahren keinen Laden, keinen Arzt und kein Telefon gab, hausten und arbeiteten die beiden zehn Jahre lang unter einfachsten Bedingungen. Während Karl Landschaft und Bewohner fotografierte und auf Zeichenblock und Leinwand bannte, unternahm Hedwig volkskundliche Studien. In der ganzen Schweiz begann sie nun Vorträge über das Lötschental zu halten. Dazu musste sie oft mit ihren Lichtbildern den langen Weg zur nächsten Bahnhaltestelle unter die Füsse nehmen. [57] 1916 veröffentlichte sie ihr erstes Prosawerk Quatember in Loetschen. Die Geschichte des Lötschentals in neun Bildern. Ein Jahr später gelang den Geschwistern der grosse Wurf mit Hilfe vieler namhafter Subskribenten. Mit Lötschen. Landes- und Volkskunde des Lötschentals haben Hedwig und Karl Anneler der Nachwelt ein Zeugnis von grosser Bedeutung hinterlassen. Das Werk zeigt die Talschaft „unter Berücksichtigung sämtlicher denkbarer historischer, geographischer, biologischer, zoologischer, ethnologischer, soziologischer, ökonomischer, linguistischer und literarischer Gesichtspunkte als einen klar abgegrenzten Lebensraum“. [58] 1923 erschien Hedwig Annelers Kleines Lötschenbuch und Aletschduft. Geschichten aus einem Bergdorf. Ab 1917 publizierte Hedwig Anneler regelmässig in diversen Zeitungen. Zunächst schrieb sie vor allem für das gleiche Publikationsorgan, in dem auch ihre Mutter veröffentlichte: Die Garbe. [59] Thema war meistens das Lötschental. Der Roman Der Glücksbogen, der 1925 erschien, war das letzte grosse Werk, das Hedwig Anneler diesem Tal widmete. Während ihr Bruder dort Freunde gewann und dem Tal Zeit seines Lebens verbunden blieb, wurde Hedwig öffentlich angefeindet. Es wurde ihr zum Beispiel vorgeworfen, dass sie das Lötschental lächerlich mache und „ ... dass eine protestantische Dilettantin den Pulsschlag des katholischen Volksherzens nie und nimmer verstehen und nie und nimmer wahrheitsgetreu wieder zugeben vermag.“ [60]

Bern bis 1925: Beginn einer journalistischen Karriere

Ab den 1920-er Jahren schrieb Anneler für viele Schweizer Zeitungen. [61] Sie publizierte diverse Kurzgeschichten – auch in Dialekt – berichtete über historische Themen wie z.B. der Näfelser Schlacht, über Religiöses (wie beispielsweise den Wallfahrtsort Le Puy), über frauenrelevante Sachverhalte (u.a. über das weibliche Priestertum in frühchristlichen Zeiten oder die Geschichte der Schweizerfrauen) und über Aktuelles. Ab 1925 versiegte Annelers rege Publikationstätigkeit für zwei Jahre beinahe ganz. Der Grund dafür war ihre kurze und schwierige Ehe mit Leonhard Jenni von 1925 bis 1927. [62]

Leonhard Jenni

Leonhard Jenni (auch Léonard Jenni oder Léonhard Jenny, 1881-1968: Abb. 5), war Sohn eines Glarner Baumwollfabrikanten und – gemäss seinen eigenen Aussagen – einer Nachfahrin Zwinglis. Nach Studien in Rechts-, Staats- und Wirtschaftswissenschaft in Leipzig 1900-1902 wechselte er nach Zürich, wo er an der militärwissenschaftlichen Abteilung der ETH studierte, bevor er sein Rechtsstudium weiterführte und mit seiner Doktorarbeit zum Thema Die Aufsicht des Bundes über die Kantone 1905 abschloss. Seine Militärkarriere musste er aufgrund eines Tuberkuloseverdachts aufgeben. Bis 1908 folgten mehrere Kuraufenthalte. Später warf er den behandelnden Ärzten vor, ihn gesundheitlich ruiniert zu haben. Er betätigte sich als Jurist in diversen Advokaturbüros. 1910 wurde er in eine psychiatrische Klinik zwangseingeliefert, da er sich elektromagnetischen Strahlenanschlägen ausgeliefert sah und entsprechende Klagen einreichte. Es begann ein lebenslanger Kampf gegen Ungerechtigkeiten: Jenni enthüllte antidemokratische Vorkommnisse, kämpfte gegen Klassenherrschaft, Sonderbünde, Zwangseinlieferungen und Unmenschlichkeit. Ab 1918/19 arbeitete er bei der von Silvio Gesell begründeten freiwirtschaftlichen Lebensreform mit. Gleichzeitig kämpfte er für die Anerkennung und Gleichberechtigung der Frauen. So reichte er 1918 und 1920/21 in Glarus eine Einzelinitiative für eine partielle Revision der kantonalen Verfassung ein. 1923 in Bern und 1928 in Genf verlangte er die Einschreibung von Frauen in die Stimmregister. Während von Hedwig Anneler keine Parteizugehörigkeit bekannt ist, war Leonhard Jenni als Student Mitglied der liberal-demokratischen Partei in Glarus, 1918-1921 Mitglied der Grütlianer in Glarus und Zürich und 1921-1924 Mitglied der Sozialistischen Partei in Bern.

Mitlödi, Bern, Frankreich: Die Ehe mit Leonhard Jenni 1925-1927

Es ist anzunehmen, dass sich Leonhard Jenni und Hedwig Anneler 1923 in Bern kennenlernten, als der Rechtsanwalt für eine Gruppe von Frauen, der wahrscheinlich auch Hedwig Anneler angehörte, die Aufnahme in das Stimmregister des Kantons verlangte. [63] Als Hedwig Anneler Leonhard Jenni heiratete, kannte sie seine Vorgeschichte kaum, respektive nur aus seiner Warte. Sie hatte mit dem gesundheitlich angeschlagenen Mann, der viele Feinde und ein scheinbar verständnisloses, ihm feindlich gesinntes Elternhaus hatte, Mitleid. Leonhard Jennis Geschwister verschwiegen ihr die Bedenken der Ehe gegenüber nicht. Auch in der Familie Anneler wurden solche offen vorgebracht: Leonhard Jenni schien ihnen „die nötigen Garantien für eine glückliche Ehe und eine gesicherte Existenz“ nicht bieten zu können. Der Vater ergriff jedoch für sie Partei: „wenn seine Tochter diesen Mann wirklich liebe und heiraten wolle, so müsse sicher etwas Gutes an ihm sein“.
Im Februar 1925 heirateten die beiden in Mitlödi im Kanton Glarus. Leonhard Jenni arbeitete bei der neugegründeten Genossenschaft schweizerischer Kräuterkäsefabrikanten in Glarus. Es war eine Stelle, die ihn, wie sich bald herausstellen würde, nicht befriedigte. Für ihren Mann entschloss sich Hedwig Anneler, Bern, ihre Herkunftsfamilie, Freunde und vor allem „den günstigen Boden ... für ihre schriftstellerische Tätigkeit“ zu verlassen. Sie, die in der Grossstadt und in einem gutbürgerlichen Haus aufgewachsen war, zog aufs Land, in ein Gebiet, wo ihr Name als Schriftstellerin unbekannt war. Für Hedwig Anneler war es nicht leicht, mit Leonhard Jenni zusammen zu leben. Aus ihrer Sicht erwies er sich als eigensinniger, rechthaberischer und kleinlicher Mann. Seine Schwestern und seine Mutter, mit denen Hedwig Anneler zu Leonhard Jennis Ärger gut auskam, warnten sie öfters, sich nicht so viel von ihrem Mann gefallen zu lassen, „sie solle doch ihm gegenüber, der mit Worten ein so eifriger Verteidiger der Frauenrechte sei, ihr Frauenrecht etwas mehr behaupten und sich nicht derart kommandieren lassen.“
Leonhard Jenni war Rohköstler. In Mitlödi, wo weder Obst noch Gemüse zu kaufen waren, war es nicht einfach, ihn zufrieden zu stellen. Neben seiner Ernährungsweise schrieb Leonhard Jenni Hedwig Anneler die Kleidung vor, bestimmte über ihr Zubettgehen und Aufstehen. Er wünschte, „dass sie sich journalistisch betätige, um aus dem daraus fliessenden Verdienste ihre persönlichen Bedürfnisse bestreiten und wenn möglich einen Zuschuss in die Haushaltung geben zu können“. Als sie jedoch die Geschichte des Kantons Glarus in einem Roman verarbeiten wollte, verbot er ihr das Unterfangen, da dieser Stoff dem Kind schaden könnte, wenn sie in Erwartung käme.
Eine Reihe von Todesfällen erschütterten das Paar zwischen 1925 und 1927: Zuerst starb Leonhard Jennis Vater, danach starben zwei seiner Geschwister und kurz vor der Scheidung starb auch Annelers Vater. Die Erbschaften, welche Leonhard Jenni in eine unabhängige wirtschaftliche Lage versetzten, veranlassten ihn, seine Stelle aufzugeben. Er wollte vorerst nur reisen und sich später seinen Studien widmen. Im Sommer 1926 wohnte das Paar in Bern bei den Annelers, bevor es zusammen mit Karl Anneler eine längere Reise nach Frankreich unternahm.
Leonhard Jenni gab seiner Frau zu bedeuten, dass sein Geld sie nichts angehe. Er verpflichtete sie selbst nach seiner Erbschaft, für ihren Unterhalt selber zu sorgen. Da sie keine grossen Beträge erwirtschaften konnte, musste ihre Herkunftsfamilie zum Teil für sie aufkommen. Gleichzeitig war für ihn klar, dass nach dem Tod ihres Vaters ihr Erbe in seine Verwaltung übergehen und die Zinsen ihm gehören würden.
Auf der Frankreichreise sah Karl Anneler, wie seine Schwester behandelt wurde. Zudem ging Leonhard Jenni nicht auf seine Reisewünsche ein. Hedwig versuchte Karl zu beschwichtigen und ihren Mann ihm gegenüber zu verteidigen. Im November 1926 kam es trotzdem zum Eklat zwischen Leonhard Jenni und Karl Anneler, worauf Leonhard Jenni Karl und Hedwig Anneler auf die Strasse stellte. Obwohl Leonhard Jenni schon zu diesem Zeitpunkt seinen Scheidungswillen kundtat, verbrachte er den Winter wieder bei den Annelers in Bern. Er machte den Fortbestand der Ehe von Kindern abhängig. Obwohl Ärzte bescheinigten, dass die Ursache der Kinderlosigkeit nicht bei Hedwig Anneler lag, trennte er sich Mitte April von ihr mit dem Argument, nicht in kinderloser Ehe leben zu wollen. Was sie vor der Heirat noch nicht wusste, war, dass Leonhard Jenni die Ehe eher als Experiment sah, während sie diese „als ein Hand-in-Handgehen zu einem grossen Lebensziele hin, als ein Verhältnis, ... in welchem jedem Teil die Förderung des andern die wichtigste Angelegenheit sein müsse“ betrachtet. Im Herbst 1927 wurde die Ehe wegen „tiefer Zerrüttung“ geschieden.
Obwohl das Paar viele Werte teilte, gelang es den Partnern nicht, Gleichberechtigung in ihrer Ehe in die Tat umzusetzen. Leonhard Jenni verlangte von seiner Frau wirtschaftliche Unabhängigkeit, wie es tatsächlich einem emanzipierten Paar anstehen würde, ohne jedoch Hedwig Annelers Voraussetzungen in seiner Heimat und auf der Reise zu berücksichtigen oder sie im Haushalt zu entlasten. Es gelang ihm nicht, sich von patriarchalen Vorstellungen über die Ehe zu lösen. Hedwig Anneler ihrerseits fügte sich in die herkömmliche Rolle einer Schweizer Ehefrau, indem sie an den Wohnort ihres Mannes zog, ohne Widerspruch für ihn kochte, putzte und sich ihm unterordnete.
Im September 1927 verlegte Leonhard Jenni seinen Wohnsitz nach Genf, “um an den … internationalen Bestrebungen zur Schaffung des Weltfriedens und menschenwürdiger Weltordnung und Weltgemeinschaft … bestmöglich mitzuarbeiten …” Im Frühling 1929 gründete er die ‘Schweizer Liga für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte’. Zeit seines Lebens kämpfte er wie Hedwig Anneler für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Hedwig Anneler und Leonhard Jenni blieben sich bis Mitte der 60er Jahre, als es zum endgültigen Bruch kam, freundschaftlich verbunden.

Bern: 1927-1929. Wiederaufnahme der Vortrags- und Publikationstätigkeit

Ende 1927 nahm Hedwig Anneler wieder eine rege Publikationstätigkeit auf. Einen Monat nach der Scheidung schrieb sie z.B. ein Plädoyer für die Einsetzung von Pfarrerinnen: Bei der Heilsarmee und den Quäkern hätten Frauen einen besseren Stand als in den Landeskirchen und in den meisten heidnischen Religionen seien Priesterinnen etwas Natürliches. Das Christentum hingegen sei etwas seltsam: Einerseits gebe es hier die Erkenntnis, dass Gott der Vater aller Menschen sei, anderseits gebe es Paulus mit seiner Frauenfeindlichkeit. Dieser Widerspruch gehe durch die ganze Kirchengeschichte und zeige letztendlich einen Kampf der Geschlechter. Die Synode von Laodicea habe es Frauen verboten, zum Altar zu gehen und diejenige von Orange 441 habe die Weihe von Diakoninnen abgeschafft. „Und diese Bewegung, die Frauen aus dem Kirchendienst hinauszudrängen, ging Hand in Hand mit jener anderen, welche von den Priestern und Bischöfen, vom 4. Jahrhundert an, Ehelosigkeit forderte, eine Forderung, die dann .... eine Unzahl von Frauen in Jammer, Not und Elend hinabstiess. So nehmen die Frauen von heute, die das Pfarramt ausüben wollen, und jene Frauen, die weibliche Pfarrer wünschen, nur eine durch ihr Alter schon ehrwürdige Forderung von neuem auf ...“ [64]
1928, anlässlich der SAFFA, arbeitete Hedwig Anneler mit Gertrud Woker und anderen Frauen für die Ausstellung der Akademikerinnen zusammen. [65] In diesem Zusammenhang verfasste Hedwig Anneler eine wichtige Broschüre zum Frauenstudium. Im ersten Teil überliefert sie viel Zahlenmaterial und Namen weiblicher Studierender aus verschiedenen Fakultäten der Universität Bern. Über die russischen Studierenden meint sie: „Ohne diese Fremdlinge hätten wir den Weg in die Hochschule vielleicht noch später und noch seltener gefunden.“ (101) Sie berichtet über die damals gängigen Meinungen der Professoren und Kommilitonen über Studentinnen. Im zweiten Teil listet sie Lizenziatinnen und Doktorandinnen der Universität Bern mit ihren Arbeiten auf. Einzig an der Theologischen Fakultät hätten die Frauen nicht die gleiche Rechte: „Wir hoffen und erwarten, dass die Ausnahmebestimmungen an unserer theologischen Fakultät aufgehoben werden. Vielleicht hätte man sie beim Beginn des Frauenstudiums noch verstehen, wenn auch nicht billigen können. Heute kann man keines von beiden mehr.“ (117) Im dritten Teil, der vom Berufsleben der Akademikerinnen handelt, bemängelt sie vor allem die Ungleichbehandlung der Theologinnen, die wenigen Arbeitsmöglichkeiten für Frauen in der Industrie und die Bevorzugung männlicher Lehrer. Keine einzige Lehrerin sei bis anhin an ein Gymnasium zugelassen worden. Auch die Frage nach Vereinbarkeit von Ehe, Kinder und Arbeit wird gestellt. [66]
Im Zusammenhang mit ihrem Kampf für gleiche Rechte für Frauen hielt Hedwig Anneler auch Vorträge. So erinnerte sie 1929 in einem Referat über die Geschichte des Frauenstimmrechtsgedankens in der Schweiz an Personen beiderlei Geschlechts, die für die Rechte der Frauen und bessere Ausbildung der Mädchen eingetreten waren. Weiter erläuterte sie, wie die Schweizerfrauen organisiert waren und erklärte das Verhältnis des Schweizervolks zu seinen Frauen. [67] Auch in der Presse äusserte sie sich immer wieder zur Geschichte der Schweizerfrauen. [68]

Bern 1929-1933: Pflege der Mutter

Ende der 20er-Jahre erkrankte Hedwig Annelers Mutter schwer. Hedwig und ihre Schwester Marie übernahmen die Pflege, wie es für unverheiratete Töchter dieser Zeit üblich war. Wieder kam es zu einem Einbruch bei Hedwig Annelers Publikationstätigkeit. [69] Aus einem unterstützenden Brief einer Tante Ende Mai 1933, kurz vor dem Tod von Marie Anneler-Beck, geht hervor, dass die Schwestern, die selber in der Zwischenzeit ‚gefährliche’ Krankheiten durchlitten hatten, sich immer noch um die todkranke Mutter kümmerten, für sie nun aber einen Ort für bessere Pflege suchten, das Haus umbauen liessen, um es zu verkaufen, während sich die Brüder anscheinend um ihre Pflichten drückten. In der Folge kam es zu Erbstreitigkeiten der Schwestern mit Bruder Karl. [70]

Coppet 1933-1940: Engagement für Frieden, Einsatz für Frauen und Flüchtlinge

Nach dem Tod der Mutter zogen die Geschwister Hedwig, Marie und Franz Anneler nach Coppet am Genfersee, wo früher Madame de Staël gelebt hatte. Aus diesem Grund verfasste Hedwig Anneler eine Reihe von Artikeln über Germaine de Staël und ihre Cousine Albertine Necker-de Saussure. [71] Es ist anzunehmen, dass der Kontakt zu Leonhard Jenni spätestens jetzt wieder intensiver wurde.
Hedwig Anneler berichtete zwar erneut über Frauenfragen, so auch vom internationalem Frauenkongress in Genf 1935, doch publizierte sie nun vermehrt Kurzgeschichten, bei denen sie sich an ein einfach gebildetes Publikum wendete. Sie schrieb nun auch für die Frauenzeitung Berna. [72] Ihre Erzählungen näherten sich inhaltlich denen ihrer Mutter an und dienten der erbauenden Unterhaltung. [73] Hedwig Anneler plädierte darin für ein ethisches und einfaches Leben. Eine heutige Leserschaft mag sich am erhobenen Zeigefinger ihrer Erzählungen stören. Sie müssen aber aus der Zeit der Bedrohung, des wachsenden Antisemitismus und der zunehmenden Nazi-Deutschland-Sympathien in der Schweiz verstanden werden. Die ausgebildete Lehrerin schien einen andragogischen Auftrag erfüllen zu wollen. Aufgrund der Menge publizierter Artikel ist anzunehmen, dass sie nicht allein von Jennis Abfindung und ihrem Erbe leben konnte oder wollte, sondern sich auch schreibend ihren Lebensunterhaltes verdiente.
Angesichts der drohenden Weltlage engagierte Hedwig Anneler sich in der ‚Ligue internationale de femmes pour la paix et la liberté’ in Genf. In einem Geburtstagsbrief an Gertrud Woker erinnert sich Hedwig Anneler: „Und damals in Genf ... Unvergessen das damals so einzigartig poetische Heim der Frauenliga ... mit ... dem Kaminfeuer, und darum herum Du, Du Liebe, - Gertrud Bär, Frau Ragaz und so manche andere ... die da über die Geschicke der Welt miteinander berieten und Beschlüsse fassten! [74] Zum ersten Mal, vielleicht seit Jahrtausenden, dass Frauen miteinander – nicht vereinzelte Fürstinnen und Regentinnen, sondern einfach Frauen als Frauen und miteinander, mit Gesinnungsgenossinnen, berieten, was zu tun sei, um die Geschicke der Welt zum Guten zu lenken, statt zur Zerstörung – zum Aufbau, zum Blühen statt zum Tode, und berieten nicht nur, sondern sie wandten sich an die Völker und an die Regierungen, mit Vorschlägen und Forderungen (sic)!“ [75] Hedwig Anneler schrieb immer wieder Briefe an Staatsmänner, z.B. 1940 an Benito Mussolini oder 1965 an Lyndon B. Johnson und rief sie zu verantwortlichem Handeln auf. [76] Sie wandte sich bei ihrer Friedensarbeit auch an die Schweizer Jugend und publizierte in entsprechenden Blättern. [77] 1933 rief Hedwig Anneler die Schweizerinnen und Schweizer zu Solidarität auf: „ Uns ist ja keine Insel zum Wohnsitz geworden ... Rings um uns wirken und weben lebendige Völker ... Und sichtbare und unsichtbare Bande verknüpfen uns auch mit dem fernsten ... Menschenland ...“ [78]

1933-1940 Blanche Gamond und das Engagement für die Juden

Die Historikerin suchte in welschen Bibliotheken nach neuem Stoff und wurde fündig: „In den Genfer Bibliotheken stürzte ich mich zuerst natürlich über die Bücher der Reformation hin ... und beschäftigte mich eine Weile hauptsächlich mit einer der Reformatorinnen, deren Schrift in einem einzigen Exemplar übrig geblieben ist, wo sie sagt, sie schreibe, „damit die Frauen nicht mehr wie bisher geringgeachtet würden.“ Man hat alle Exemplare dieser Schrift bis auf eines von obrigkeitswegen (sic) verbrannt. – Dann war ich eine Zeitlang im Banne Mme des Warens’, [79] einer ... vielverleumdeten, bedeutenden Frau ... Da fiel mein Blick eines Tages, als ich ... in einem Kästchen der Kartothek blätterte, auf den Namen der Blanche Gamond. [80] Ich bekam das kleine Buch von Claparède und Goty in die Hand gesteckt. [81] Ich las drin schon im Heimfahren nach Coppet. Es war der ‚coup de foudre’. Dass das niemand gesehen hatte, was ich zwischen und in den Zeilen da sah? Dass niemand die Parallelen zu heute sah! Dass noch niemand das dargestellt hatte! Ich fasste es nicht. – Musste ich das vielleicht tun? ... Dreimal fuhr ich an Blanche Gamonds und Jeanne Terrassons Stätten und zeichnete sie. Fünf Jahre arbeitete ich an diesem Buche ...“ [82] Die aufgrund ihrer Religion verfolgte Hugenottin Blanche Gamond liess Hedwig Anneler nicht mehr los. Sie veröffentlichte immer mehr Artikel und Kurzgeschichten über die Geschichte der Hugenotten [83] und verglich die Situation der Schweiz mit derjenigen zur Zeit Ludwigs XIV. [84] In Vorträgen erinnerte Hedwig Anneler an die Schweizerische Tradition, Flüchtlinge aufzunehmen und verlangte eine Korrektur der Asylpraxis. Sie verglich die verfolgten Juden mit den verfolgten Hugenotten, die wie diese nach und nach ihrer Rechte beraubt wurden. „Dieses planmässige, grausame Vorgehen hat eine erstaunliche Aehnlichkeit mit dem, was Diktatoren von heute besonders unseren jüdischen Menschenbrüdern gegenüber tun. Etwas bloss hatten die reformierten Franzosen jener Zeit den Juden von heute gegenüber voraus: sie brauchten, um aller Verfolgung zu entgehen, bloss ihren Uebertritt zu der Religion der Mehrheit zu erklären ... Die Hugenotten flohen ... eine einzige Hoffnung ... der Schweiz zu, dem Lande der Freiheit, des Erbarmens, der Zuflucht.“ [85] Sie fragt: „Hat unser Land damals seine Grenzen gesperrt? Ursachen dazu hätte es in Fülle gehabt.“ Frankreich sei reich gewesen, in seinen Städten hätten Schweizer Kaufleute gelebt, die ebenfalls hätten ruiniert werden können. Zudem habe die Eidgenossenschaft Militärabkommen mit Ludwig gehabt und ihm Soldaten gestellt. Da Frankreich die grosse Militärmacht gewesen sei, hätte es sich die kleine Schweiz also eigentlich nicht leisten können, Flüchtlinge aufzunehmen. Die inneren Verhältnisse hätten es eigentlich auch nicht erlaubt: Die Schweizer Katholiken seien ebenfalls gegen Hugenotten gewesen. Zudem sei die wirtschaftliche Lage schlecht und seien die Städte voll gewesen. Mit der Aufnahme von Flüchtlingen hätte man also einen Krieg nach innen und aussen riskiert. „Aber dass Flüchtlinge durch Schweizer Waffen am Eintritt gehindert, unsere Grenzen bewacht werden könnten gegen zufluchtssuchende Menschenbrüder, dass Unglückliche zurückgetrieben ... werden sollten, um der eigenen Wohlfahrt willen, zurück in Verfolgung, Jammer und Tod, das ist damals, in der ... Schweiz unserer Mütter und Väter, in keines Schweizers Sinn gekommen ... So kamen sie denn heran. Schweizerführer wiesen ihnen oftmals die Wege ... “ [86]
Lange fand Hedwig Anneler keinen Verleger für ihr Werk. Schliesslich erklärte sich der Verlag Oprecht in Zürich bereit, das Buch herauszugeben, wenn Hedwig Anneler genügend Subskribenten fände. [87] Leonhard Ragaz sagte ihr anfangs 1939 Unterstützung zu und schrieb in seinem Blatt: [88] „Hedwig Anneler hat über ... Blanche Gamond ... sowie über die ganze Hugenottenverfolgung ... und über deren Folgen ein Buch geschrieben, das schon lange hätte erscheinen sollen, aber es, wie so viele andere und viele der besten, nicht konnte (sic).“ Es würde darin „Schritt für Schritt unsere Zeit beschrieben“. [89] Auch von der Redaktion des ‚Schweizer Frauenblattes’ wurde Hedwig Anneler bei der Suche nach Subskribentinnen unterstützt: „ Wir heutigen, die wir aufs Neue umgeben sind vom Elend der Flüchtenden ... werden ganz besonders aufgerufen, Zeugen auch der damaligen Zeit zu sein ... Das neue Buch ist fertig geschrieben. Wollen wir Frauen helfen, dass es erscheinen könne? [90] 1940 wurde Hedwig Annelers Hugenottenbuch endlich veröffentlicht. [91] Der Verlag stellte den Inhalt folgendermassen vor:„Die Zeit Ludwig XIV., angefüllt mit Kriegen, grandioser Machtentfaltung und Religionsverfolgungen ... ist gerade heute von grösstem Interesse. Nie wurden Eroberungskriege skrupelloser vom Zaun gebrochen ... nie Menschen wegen ihrer Überzeugungen grausamer verfolgt. Blanche Gamond ... eine Hugenottin, ertrug für ihren Glauben unmenschliche Leiden, aus denen sie körperlich für immer geschädigt, aber trotzdem siegreich hervorging. ... in Bern, schrieb sie die Geschichte ihrer Leiden und ihrer Befreiung nieder ... Ihre Memoiren bilden das Kernstück des Buches ... Der Leser erlebt die stufenweise Entrechtung der Hugenotten mit ... die Aufhebung des Ediktes von Nantes ... die Flucht über die Grenzen, die Aufgreifung der Flüchtlinge, ihre Haft in oft furchtbaren Kerkern ... den Schaden, den Ludwig XIV. seinem Lande zufügte, und das Aufblühen der Länder, die Flüchtlinge aufnahmen. Man erlebt hier eines der wichtigsten Geschehnisse der Menschheitsgeschichte, dessen Folgen bis heute nachwirken ...“ Obwohl kurz darauf Übersetzungen ins Französische und Englische vorlagen, scheiterten deren Publikationen trotz Hedwig Annelers sehr grossem jahrelangem Engagement.

Hedwig Anneler und die Juden 1939

Im August 1939 nahm Hedwig Anneler sowohl an der Einweihung des Sitzes der Frauenweltpartei wie auch am Zionistenkongress in Genf teil. In ihrem Artikel über den Zionistenkongress ergreift sie klar Partei für die Juden: „Und ich erkannte in den vielen, vielen Gesichtern ... laute und leise Züge des Leides ... hörte das Stöhnen und Schreien aus den Lagern heraus ... und hörte ... von Scham gebeugt, das Jammern und Flehen der Verfolgten an unseren Grenzen, unserer Schweizer Grenzen, die gegen Flüchtlinge so entsetzlich, so grauenhaft gut bewacht sind.“ Vor allem Eindruck machte ihr die Rede von Nahum Goldmann über das ‚jüdische Problem von heute’: [92] „Er scheint mir schweizerischen Wirklichkeitssinn zu verkörpern ... Dass er demokratisch nicht nur denkt, sondern auch fühlt und alle Gewaltmethoden verwirft, hat er mit allen Vertretern der weitaus grössten Mehrheit der Juden gemein. Wir Schweizer können auf diesen unsern jüdischen Mitschweizer stolz sein.“ [93] Über die Verhältnisse in Deutschland erfuhr Hedwig Anneler auch aus erster Hand von ihren aus Deutschland nach Hause zurückgekehrten Nachbarn und von Flüchtlingen. Sie arbeitete eng mit Leonhard Jenni zusammen und betätigte sich mit ihrer Schwester als Fluchthelferin. [94] Hedwig Anneler scheint die wichtigsten jüdischen Zeitschriften gelesen zu haben. In ihrem Nachlass finden sich aus den Jahren 1938-39 Exemplare z.B. des קרננו, der Pariser Haint, des Mitteilungsblattes der Hitachduth Olej Germania, des Mensuel und des Schweizerischen Israelitischen Familienblatts. [95] Aus einem Brief der Frau von Hedwig Annelers ehemaligem Hebräischlehrer geht hervor, dass Hedwig Anneler sie 1939 über die Vorkommnisse in Europa informierte: „Auf Ihre beiden Briefe ... habe ich Ihnen bis jetzt nicht geantwortet. Ich muss Ihnen sagen, wir waren beim Lesen so ergriffen und erschüttert, dass ich nicht wusste, wie soll ich in Worten Ihnen ausdrücken können unsern Dank unsere Freude über so viel warme Menschlichkeit und so tiefes Mitgefühl über das grosse Unglück, das über die zivilisierte Menschheit und ganz besonders über das arme jüdische Volk gekommen ist wie es aus jeder Ihrer Zeilen spricht.“ Aus einem zweiten Brief von Olga Marslak aus Tel Aviv geht hervor, dass Hedwig Anneler sich um die Rente einer jüdischen Frau bemühte und sie deswegen um Kontaktaufnahme beim Keren Kayemeth gebeten hatte. [96]

Luins 1940-1958: Selbstversorgung

Als die Deutschen 1940 Frankreich eroberten, bekamen die Geschwister Anneler es mit der Angst zu tun: „In jedem Dorf waren deutsche Spione, und gegenüber am andern Ufer des Genfersees hatten die Deutschen schon Ivoire angezündet, das brannte Tag und Nacht. Da sagten wir uns, mit unserer grossen hebräischen Bibliothek sind wir in Gefahr und suchten weiter hinten im Land etwas zu kaufen. Wir fanden eine ganz verwahrloste römische Mühle, tief in Bäumen versteckt ... So kauften wir das alte Gemäuer um wenig Geld ... Das war im November 1940.“ [97] Da die Mühle in Luins in sehr schlechtem Zustand war, musste sie bis auf wenige Mauern niedergerissen und neu aufgebaut werden. [98] Hedwig zeichnete die Pläne für ein neues Haus. Nach neun Monaten war es einzugsbereit. Die Geschwister setzten den Plan Wahlen um, hielten Tiere und pflanzten Gemüse an. [99] Der Tag war ausgelastet. Hedwig Anneler publizierte nicht mehr. Die Schwestern arbeiteten hart: pflanzten, ernteten, heuten, fütterten Tiere und schoren Schafe; im Winter verarbeiteten sie die Wolle zu Bettdecken. Achtzehn Jahre versorgten sich die Frauen auf ihrem Gut selber, dann sahen sie sich genötigt zu verkaufen. [100]

Givrins sur Nyon 1959-1969: Letzte Kämpfe

Sie zogen nach Givrins sur Nyon. [101] Hedwig Anneler wurde wieder schriftstellerisch tätig, malte und musizierte. [102] Es gelang ihr aber nicht mehr, in grossen Schweizer Zeitungen zu publizieren. Zwischen 1967 bis 1968 erschienen noch einige erbauliche Erzählungen im Oberländer Sonntagsblatt und in der Volks-Zeitung, Oberland. Nur in Letzterem gelang es ihr anscheinend, 1968 einen Nachruf für ihre am 13. September verstorbenen Freundin Gertrud Woker zu publizieren. [103]
Bis kurz vor ihrem Tod kämpfte Hedwig Anneler. 1967 gibt Emil Ernst Ronner beim Reinhard Verlag ein Buch über Blanche Gamond heraus. [104] Es ärgerte Hedwig Anneler, dass derselbe Verlag, der ihr Geschichtswerk abgelehnt hatte, nachdem sie vor dem Zweiten Weltkrieg jahrelang für dessen Zeitschriften geschrieben hatte, nun ein Buch eines anderen Verfassers über ‚ihr Thema’ publizierte. Obwohl Emil E. Ronner angab, selber recherchiert und Quellentexte übersetzt zu haben, wies Hedwig Anneler nach, dass er ganze Passagen bei ihr abgeschrieben hatte. [105] Weiterhin kämpfte sie auch für die Rechte der Frau. Enthusiastisch berichtete sie davon, wie sie im Kanton Waadt 1959 das erste Mal abstimmen gehen durfte. [106] Doch sie erlebte es nicht mehr, auch bei eidgenössischen Angelegenheiten mitreden zu dürfen. Zu diesem Thema findet sich in ihrem Nachlass ein Briefentwurf an den Beobachter, den sie kurz vor ihrem Tod verfasste: „Finden Sie nicht auch, unser Bundesrat erlaube sich auch gar viel – nein – zu viel ‚uns Untertanen’ gegenüber, in letzter Zeit? Da war der ‚Frauenmarsch’ nach Bern, am 1. März dieses Jahres, um unsrer Regierung unsre Beschwerden betrf. Vorenthaltung unsrer eidgenössischen Bürgerrechte zu überreichen (die ja, genau betrachtet, auch uns Schweizerinnen durch die Abschaffung aller Vorrechte, auch derjenigen der ‚Geburt’ in unserer Bundesverfassung garantiert wäre, so dass es nur eines Entscheides des Bundesrates und keiner Abstimmung bedürfte, um sie uns Schweizerinnen zu gewährend – endlich – nachdem sich ja die ganze Welt seit langem schon über unsre ‚Halbdemokratie’ verwundert) ... Weder Herr von Moos noch ein anderer Bundesrat zeigte sich. [107] Dagegen waren auf dem Bundesplatz Abwehrschranken aufgestellt, und war nicht nur die Polizei, sondern sogar die FEUERWEHR gegen uns Schweizerfrauen aufgeboten worden! – Ein Schimpf, der nicht auf uns Frauen, sondern auf unsre Regierung zurückfällt – in den Augen aller Rechtdenkenden des In- und Auslandes!“ Im gleichen Brief äussert sie auch ihren Ärger über den Papstbesuch vom 7. Mai 1969. Hier wird die klare Meinung der überzeugten Protestantin deutlich: „Und nun, so wenig lang nach diesem Schildbürgerstreich, stellt unser Bundesrat das gesamte Schweizervolk vor die Tatsache einer Einladung an den Papst ... und spricht die ‚Freude’ des Schweizervolkes über diesen Besuch aus ... In Genf, dem ‚protestantischen Rom’, der Calvinstadt, soll dieser Besuch stattfinden! Man sagt uns, der Römische Katholizismus habe sich neuerdings sehr geändert. Es seien ja auch unlängst die ‚Menschenrechte’ von der kath. Kirche anerkannt worden ... Vergessen wir darüber aber nicht, dass die Unfehlbarkeit des Papstes nicht etwa im Mittelalter erklärt worden ist, sondern erst im letzten Jahrhundert. Und dass die Himmelfahrt der Mutter Gottes in unserer Zeit zum Glaubenssatz erklärt worden ist, so dass unsre armen Kinder nun nicht mehr alleine eine Dreieinigkeit, sondern sogar eine Viereinigkeit zu ‚verdauen’ haben! Und dass das Papsttum unter Oekumene nicht einen freundlichen Zusammenschluss aller Christen versteht, sondern die Herrschaft über die Welt, – die Herrschaft über die Gewissen der Menschen insgesamt ... Und da können wir protestantischen Christen einfach nicht mitgehen: Gleich unsern mohammedanischen und jüdischen Mitmenschen und den grossen Frauen und Männern aller Zeiten und Völker ... können wir das Beste in uns, unser Gewissen, nicht einem Menschen unterstellen, der so wenig als wir im Jenseits gewesen ist und der ebenso sterblich ist wie wir ... Unser Sehnen und Hoffen geht nicht nach einer Unterstellung unter einen sterblichen Mitmenschen, sei er, wer er auch sei, sondern wir streben und sehnen uns nach immer tieferer Erkenntnis und nach immer innigerer Liebe zu dem Ewigen, dem Einzigen, dem Schöpfer und Erhalter des Alls, – nach dem lebendigen Gott. Und in diesem Sehnen und Hoffen wissen wir uns einig mit den Besten unsrer katholischen und jüdischen Miteidgenossen.“ [108]
Am 8. Mai 1969 starb Hedwig Anneler. Zeit ihres Lebens hatte sich diese mutige Frau für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen eingesetzt. Ihre Botschaft an die Schweizer Bevölkerung hat erschreckend wenig an Aktualität eingebüsst.

III. Das Buch

Es sind hauptsächlich drei Faktoren, die zum weitgehenden Verlust der Erinnerung an der beachtenswerten Dissertation ‚Die Geschichte der Juden von Elephantine’ (und die nicht minder achtungswerte Verfasserin) beigetragen haben. Erstens erschien gleichzeitig mit Hedwig Annelers Dissertation die halbpopuläre Monographie des Berliner Gross-Historikers Eduard Meyer, Der Papyrusfund von Elephantine, die noch in einem bibelwissenschaftlichen Standartwerk von 2010 zitiert wird. [109] Während Hedwig Anneler in ihrem Vorwort noch knapp auf Eduard Meyer Bezug nehmen konnte (und Übereinstimmung in einigen Punkten feststellte, was diesen ehrte), erschien ihre Arbeit für ihn (zu seinem Nachteil) zu spät. Zweitens fand Eduard Meyers Büchlein mit Hinrichs in Leipzig einen Verleger, dem heute etwa Brill oder de Gruyter entsprächen. Hedwig Annelers Buch hingegen ist das erste aus der ‚Akademischen Buchhandlung von Max Drechsel, Bern’, das mir (EAK) überhaupt in die Hände fällt. [110] Drittens hat Hedwig Anneler sich nach ihrer Dissertation nicht weiter wissenschaftlich, sondern schriftstellerisch und politisch betätigt. Vielleicht hat auch der Buchschmuck ihres Künstler-Bruders dazu beigetragen, dass ihre Arbeit nicht immer als Fachbeitrag ernst genommen wurde. [111] Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass Hedwig Annelers Buch zwischen 1933 und 1945 aus vielen deutschen und weiteren kontinentaleuropäischen Bibliotheken entfernt wurde. [112]

Weiterhin verlagerte sich das Interesse auf dem Gebiet der Geschichte Israels nach dem Ersten Weltkrieg eindeutig in die ‘vorstaatliche Zeit’, eine Chimäre, die erst in jüngster Zeit ‘entmythologisiert’ wurde. [113] Das Interesse bzw. Desinteresse der Bibelwissenschaft an Elephantine lässt sich folgendermassen quantifizieren:

Herbert Donner würdigt das religionsgeschichtliche Problem eines judäischen Tempels, der im 5.Jh. v.u.Z. drei Gottheiten aufwies, keiner ausreichenden Erklärung. Niels Peter Lemche widmete Elephantine gerade noch drei Sätze (S. 175). Er folgt mit der Einordnung dieser Örtlichkeit in die Geschichte der ägyptischen Diaspora Herbert Donner und überrascht die Leserschaft mit folgender Aussage: “These documents do not bear on the history of the Jews in Palestine” (ibid.). Im Gegensatz zu den bislang genannten Autoren scheint er AP 30/31 = TDAE A4.7-8 = HTAT 481-483.285, die Petition der Judäer [114] von Elephantine an die Statthalter von Jerusalem und Samaria zwecks Wiederaufbaus ihres Yaho-Tempels, nie gelesen zu haben.

Ende des 20. Jh.s, resp. anfangs des 21. Jh.s wurde Elephantine bei John H. Hayes und J. Maxwell Miller angemessen berücksichtigt. [115] Dies könnte sowohl an ihrer ‚ausserdeutschen’ Perspektive liegen [116] wie an der Wiederbelebung der Elephantine-Studien durch Bezalel Porten, Archives from Elephantine. The Life of an Ancient Jewish Military Colony. [117] Durch seine Neu-Editionen der Papyri zusammen mit Ada Yardeni (s.u.) hat er die Textgrundlage mittlerweile auf eine zuvor unerreichbare Höhe geführt. Dies schlägt sich sowohl bei Rainer Kessler [118], Sozialgeschichte des alten Israel wie bei Weippert, HTAT nieder. Heute hat Elephantine aufgrund der Neu-Einschätzung des 5. Jh. v.u.Z. als der Periode, in der die Thora nicht ‘nur’ abschliessend redigiert, sondern zum grössten Teil geschrieben wurde, einen ganz anderen Stellenwert als zuvor: wir haben es mit Zeitgenossen der formativen Periode des Judentums zu tun.

Hedwig Anneler und Eduard Meyer standen Sayces und Cowleys Aramaic Papyri discovered at Assuan [sic!] und Sachaus Aramäische Papyrus und Ostraka aus einer jüdischen Militärkolonie zu Elephantine zur Verfügung. [119] Diese beiden Werke wurden einige Jahre später durch Cowleys Gesamtausgabe Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C. abgelöst. [120] Zur editio princeps, die 17 weitere Papyri beinhaltete, schaffte es dreissig Jahre später Kraelings The Brooklyn Museum Aramaic Papyri. New Documents of the Fifth Century B.C. from the Jewish Colony at Elephantine. [121] Der papyrologische Kontext von Elephantine wurde 1953 durch das Arsames-Archiv [122] und 1966 durch die Hermopolis-Papyri [123] vergrössert. Heute ist die monumentale Neuausgabe von Porten und Yardeni, אוסף תעודות ארמיות ממצרים העתיקה Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt zu konsultieren, wenn es um die Überprüfung älterer Lesungen geht. [124] Ada Yardenis Umzeichnungen ermöglichen es nun, individuelle Handschriften zu identifizieren und dadurch den Alphabetisierungsgrad der Judäer von Elephantine zu berechnen. Heute ist der Jaho-Tempel ausgegraben [125] und AP 22 = TAD C3.15 = HTAT 485.288 wurde als Kollekte für die Kultstatuen von Jaho, Anat-Jaho und Ishim-Betel identifiziert. Dadurch ist heute entgegen der Annahmen von Hedwig Anneler und Eduard Meyer klar, dass der Tempel in den letzten Jahren des 5. Jh.s wiederaufgebaut wurde und bis zur Mitte des 4. Jh.s Bestand hatte.

Eduard Meyer und Hedwig Anneler

Der Vergleich zwischen den Monographien von Hedwig Anneler und Eduard Meyer fällt für Letzteren nicht schmeichelhaft aus. Der Berliner Gross-Historiker ‚pontifiziert’: Zu mehr als der Hälfte des Buches wiederholt er von ihm längst Gesagtes zur (Religions-) Geschichte Israels. Er geht nur auf die wichtigsten Elephantine-Urkunden ein und glaubt sich von ihnen in seiner Esra-Nehemija-Chronologie bestätigt. [126] Hedwig Anneler hingegen wertet den vorliegenden Textbestand minutiös aus. Eduard Meyer findet auch seine vorgefasste Meinung bestätigt, dass ‘die Juden’ im 5. Jh. längst ihre Hebräische Sprache im Alltag aufgegeben hätten und Aramäisch sprächen. Er verkennt dabei die im Alten wie im heutigen Orient geltende Bi- und Triglossie und den Charakter der Urkunden als amtliche (oder juristische) Dokumente, die in einer der Amtssprachen des Reiches abgefasst sein mussten. Hedwig Anneler hingegen listet unter der Überschrift ‘Die Sprache’ (S. 66-69) nicht nur die persischen und akkadischen Lehnwörter im Elephantine-Aramäisch auf, sondern auch die Hebraismen, die sie gegen Autoritäten wie Eduard Sachau mit gutem Recht daran festhalten lassen, „dass es [sc. das Hebräische] nicht ganz vergessen war“ [127]. Wie im vor-biblischen Judäa dienten in Elephantine weiterhin Kultbilder als Anker der religiösen Erinnerung. Wie ein grosser Teil der Menschen des Alten Orients ausserhalb Mesopotamiens und Ägyptens schrieben die Elephantine-Judäer – im Gegensatz zur Priesterschaft in Betel und Jerusalem – ihre mythischen und liturgischen Traditionen nicht auf. Während Eduard Meyer es offen lässt, ob die Vorfahren der Elephantine-Judäer im 7. Jh. (unter Manasse) oder im 6. Jh. (nach der Zerstörung des Ersten Tempels und der Ermordung Gedaljas) ihre Heimat verliessen, spricht sich Hedwig Anneler unter angemessener Berücksichtigung von Jeremia 40-44 [128] eindeutig für das einzig richtige, jüngere Datum aus (S. 101-117). Während Eduard Meyer den Gottesnamen in den Papyri absurderweise ‘Jahû’ vokalisiert, liest Hedwig Anneler richtig ‘Jaho’. [129] Eduard Meyer erklärt den Polytheismus der Elephantine-Judäer mit der problematischen Kategorie der ‘Volksreligion’. [130] Hedwig Anneler versucht ihn mit der hypothetischen Annahme von Nicht-Judäern in der judäischen Brigade ‚wegzuerklären’ (S. 83-88). Sie lässt sich von ihrem Interesse, der Apologetik der Juden, leiten. Ähnlich wie sie gehen noch Bezalel Porten und andere davon aus, dass es bei den Judäern in Syene (oder anderswo) zu synkretistischen Übernahmen von den Aramäern kam.
Was die Frage nach der Herkunft der Judäer von Elephantine und ihrer Religion betrifft, haben Hedwig Anneler und Eduard Meyer zusammen den Raum der Hypothesen umrissen, die den Forschungsstand bis und mit Bezalel Porten (und darüber hinaus [131]) bilden sollten. Er ist durch folgende Annahmen determiniert: Es gab vor dem 5. Jh. v.u.Z. eine ‘joschianische Reform’, und die Einwohner Jerusalems waren bereits vor 520 v.u.Z. Monotheisten.
Die jüngste Beschäftigung mit den Judäern von Elephantine hat dazu beigetragen, diese beiden Annahmen zu falsifizieren. [132] Die Judäer von Elephantine setzten den Kult von Betel fort, wie er sich dort im 7. Jh. v.u.Z. herausgebildet hatte. [133] Während Eduard Meyers Werk auch aus diesem Grund nicht mehr lesenswert ist, [134] bleibt es dasjenige von Hedwig Anneler wegen der Fülle der Details, von denen mehrere von der neuen Forschung zu Unrecht an den Rand gedrängt worden sind. [135]


 

Inhaltsverzeichnis

Die greifbaren Exemplare der Dissertation verfügen über kein Inhaltsverzeichnis. Es sei hier nachgetragen:

Einleitung (I-VIII)

I. Elephantine und Assuan

1. Ihre Lage (1-3)

2. Ihre Bedeutung (4-15)

3. Die Bevölkerung (15-23)

II. Die Stellung der Juden innerhalb der Bevölkerung von Elephantine-Assuan

1. Die Vermögensverhältnisse der Kolonisten (24-33)

2. Die gesellschaftliche Stellung der Juden (33-35)

3. Die politische Stellung der Juden (35-43)

4. Der Beruf der Juden (43-60)

III. Das Innenleben der jüdischen Gemeinde

1. Die Persönlichkeiten (61-66)

2. Die Sprache (66-69)

3. Das Recht (69-77)

4. Die Religion (77-91)

IV. Die Stellung der Judenschaft von Elephantine innerhalb des jüdischen Volkes

1. Der Verkehr der elephantinischen mit den übrigen Juden (92-94)

2. Der Jahotempel im Lichte des Gesetzes (94-96)

3. Die Beurteilung des Jahotempels durch die ausserägyptischen Juden (96-100)

V. Die Entstehung der jüdischen Kolonie von Elephantine

1. Die Grenzen der Entstehungszeit (101-104)

2. Der genauere Zeitpunkt der Entstehung (104-106)

3. Die Zeit der Übersiedlung der Juden nach Ägypten (106-117)

VI. Geschichte der Juden von Elephantine (118-148)

1. Die Zeit von der Ankunft der Juden in Elephantine bis zum Sturze der ägyptischen Herrschaft 586-525 (119-122)

2. Von der persischen Eroberung bis zum Verfall der persischen Herrschaft (122-131)

3. Der Aufstand der Ägypter in Elephantine (131-140)

4. Die Zeit von der Niederwerfung des ägyptischen Aufstands bis zur völligen Beseitigung der persischen Herrschaft (140-148)

Verwendete Literatur (149-155)

 


* Judith Hélène Stadler hat Abschnitt I und II, Ernst Axel Knauf Abschnitt III recherchiert. Die AutorInnen verantworten den Artikel gemeinsam.

 


 

[1] 1848-1924; Professor für Kirchengeschichte an der christkatholisch-theologischen Fakultät der Universität Bern, Vater von Gertrud Johanna Woker (s.u.). Er nominierte 1923 Jane Addams (1860-1935) für den Friedensnobelpreis, den diese 1931 erhielt.

[2] 1855-1925; 1895-1925 Professor für Altes Testament in Bern, ab 1901 zusätzlich Professor für semitische Sprachen; 1911/12 Rektor der Universität.

[3] Burgerbibliothek Bern (im Folgenden BBB abgekürzt), Legat Anneler 42, I, C, 17 Korrespondenz betr. Erwerb Legat Anneler durch Stadtbibliothek Bern. Anneler, Marie: Aus dem Leben einer tapferen Frau. Biographische Notizen aus dem Leben der Dichterin Hedwig Anneler. 1969. Vor Hedwig Anneler hatte z.B. schon Maria Waser-Krebs in Bern 1901 in Geschichte promoviert.

[4] Anneler, Hedwig: Zur Geschichte der Juden in Elephantine. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Bern. Bern: Akademische Buchhandlung von Max Drechsel, 1912: IV, VII.

[5] Als Judaistin interessierte mich (JHS) Hedwig Anneler zunächst gerade aufgrund dieser Rezeptionen. Rogger, Franziska: Der Doktorhut im Besenschrank. Das abenteuerliche Leben der ersten Studentinnen – am Beispiel der Universität Bern. Bern, 2., ergänzte Auflage 2002:93. Vincenz, Bettina: Biederfrauen oder Vorkämpferinnen? Der Schweizerische Verband der Akademikerinnen (SVA) in der Zwischenkriegszeit. Baden 2011:177. Den beiden Wissenschaftlerinnen sei an dieser Stelle für ihre wertvolle Arbeit zur Erforschung von frühen Akademikerinnen gedankt. Während meiner Recherchen über Anneler habe ich keinen Artikel gefunden, dessen Verfasserin/Verfasser sich nicht mindestens an einer Stelle in dieser Frau und/oder ihrem Werk getäuscht hätte. Aus diesem Grund habe ich ausschliesslich Quellenarbeit in Archiven geleistet. Vor allem bei den im Nachhinein entstandenen Schriften ist aber Vorsicht geboten. In einigen Dokumenten gibt es eine grosse Zeitdifferenz zwischen den erzählenden ‚Ichs’ und den früheren ‚Ichs’, über welche berichtet wird.

[6] BBB, Legat Anneler 42, I, C, 17 Korrespondenz betr. Erwerb Legat Anneler durch Stadtbibliothek. Anneler, Marie 1969. Vgl. v.a. auch den handschriftlichen Brief ders. an ‚Professor’ (Strahm, JHS) datiert von 29. Okt 69: Laut Testament vermachte Hedwig Anneler eine alte gemalte Truhe voller Manuskripte, ihr ganzes Lebenswerk, der ‚Stadtbibliothek Bern’: „Da das Bibliotheksgebäude von einem unserer Vorfahren, dem bern. Werkmeister Nicklaus Sprüngli erbaut wurde, hing m. Schwester sehr daran, dass auch Ihr Lebenswerk dort hin käme ...“ Staatsarchiv des Kantons Bern: K Thun 5, 172 (Tauf-Rodel von Thun 1842-1852). Anneler, Hedwig: Mir gah z’Predig. In: Der Sämann, Jg. 51, Nr. 11, 1935. Anneler, Hedwig: Wie mein Hugenottenbuch ‚Blanche Gamond’ wurde. In: Der Aufbau, Nr. 50, 13. Dez. 1940.

[7] Gemäss HLS hiess Hedwig Annelers Mutter Martha Hedwig Beck. Dieser Vorname ist falsch. Vgl. Wyss, Regula: Anneler, Hedwig. 17.07. 2001. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11473.php. Abgerufen am 11. März 2011. – Nicht nur Marie Anneler-Beck und ihre Tochter Hedwig Anneler scheinen selbstbewusste, starke und fromme Frauen gewesen zu sein. Literarisch verewigten beide ihre starken Vorfahrinnen: Marie Anneler-Beck ihre selbstbewusste Grossmutter in ihrem Fortsetzungsroman Malervolk. In: Die Garbe. Schweizerisches Familienblatt. 1. Jg. 1917/ 1918 und Hedwig Anneler ihre starke Ururgrossmutter in der Erzählung Die Spatzen. In: Oberländer Sonntagsblatt. Wöchentliche Beilage der Berner Oberländer Volks-Zeitung. 58. Jg. Spiez, 10. März 1963. Nr. 10.

[8] Artikel Marie Anneler-Beck. In: Die Bündnerin. 15.1.1927. www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4023758&lng=de, abgerufen am 3. März 2011.

[9] Artikel Marie Anneler-Beck. In: Die Bündnerin. 15.1.1927.

[10] Artikel Marie Anneler-Beck. In: Die Bündnerin. 15.1.1927. Ihr Sohn Karl Anneler hingegen konnte sich in der Malerei gründlich ausbilden lassen.

[11] H.: Marie Anneler Beck. In: Die Frau in der Schweiz. 1934. (Gosteli-Archiv. Broschüre, nicht katalogisiert, unter Zeitschriften Nr. 1).

[12] s. z.B. Eck, Hans: Kleine Leute. In: Helvetia, 25. Jg. 1902 oder folgende drei Erzählungen, welche die Schriftstellerin unter ihrem Namen veröffentlichte: Grosse Leute, Alt, Ein Dorfbild. In: Helvetia, 27. Jg. 1904.

[13] S. z.B. Eck, Hans: Aller Seelen. In: Helvetia, 26. Jg. 1903 oder folgende zwei Erzählungen, welche die Schriftstellerin unter ihrem Namen veröffentlichte: Der Postle-Simmele, Anbeweint. In: Helvetia, 28. Jg. 1905. Auffällig sind folgende Schritte in Marie Anneler-Becks Publikationstätigkeit: Zunächst gebrauchte sie das männliche Pseudonym, dann waren die Erzählungen mit M. Anneler signiert, danach verriet sie ihren weiblichen Vornamen und mit der Zeit zeichnete sie auch noch mit ihrem ledigen Namen: Marie Anneler-Beck.

[14] BBB, Legat Anneler 42, I, C, 17 Anneler, Marie 1969.

Aellen, Hermann (Hg.): Schweizerisches Zeitgenossen-Lexikon. Bern 1921.
Anneler, Hedwig: Mir gah z’Predig. In: Der Sämann, Jg. 51, Nr. 11, 1935.
www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4023758&lng=de, abgerufen am 3. März 2011.
Anneler, Hedwig: Wie mein Hugenottenbuch Blanche Gamond wurde. In: Der Aufbau, Nr. 5, 13. Dez. 1940.

[15] Artikel Marie Anneler-Beck. In: Die Bündnerin. 15.1.1927.

[16] Es handelt sich hierbei um einen Neubau aus dem Jahr 1732, der die Tradition der 1554 zerstörten Burg Altenstein aufgreift. 1798-1804 wurde das Schloss um einen englischen Landschaftspark erweitert, seine heutige Gestalt erhielt es 1888-89. Ritter Hund von Altenstein ‘überfiel’ im Auftrag seines Landesherrn am 4. Mai 1521 Luther auf der Rückreise vom Wormser Reichstag in einem nahegelegenen Tal und eskortierte ihn auf die ca. 20 km nordwestlich gelegene Wartburg.

[17] Anneler, Hedwig: Wie mein Hugenottenbuch ‚Blanche Gamond’ wurde. Der Aufbau, Nr. 50, 13. Dez. 1940.

[18] Z.B. Eck, Hans: Kastellans. In: Helvetia, Illustrierte Monatsschrift, gegr. von Robert Weber, Verlag der „Helvetia“, Basel, 26. Jg. 1903.

[19] Eck, Hans (M. Anneler): Nur Künstler. In: Helvetia, 26. Jg. 1903, resp. Anneler-Beck, Marie: Malervolk. In: Die Garbe. Schweizerisches Familienblatt. Hg. von Rud. v. Tavel. 1. Jg. 1917/18.
Dies.: Aus der Jugendzeit. In: Die Garbe. Schweizerisches Familienblatt. Hg. von Rud. v. Tavel. 3. Jg. 1919/1920. Basel. Druck und Verlag von Friedrich Reinhardt 1920.

[20] Eine Frau: Stimmen aus dem Publikum: Etwas zur Frauenfrage. Intelligenzblatt, 60. Jg.,Nr. 33, 9. Feb. 1893.

[21] Artikel Marie Anneler-Beck. In: Die Bündnerin. 15.1.1927.

[22] Anneler, Hedwig: Einige Laiengedanken zur Gesetzlichkeit des Judentums. Christlich-jüdisches Forum. Mitteilungsblatt der Christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz. Nr. 32, Okt. 1963:19-23.

[23] Anneler, Hedwig: Wie mein Hugenottenbuch ‚Blanche Gamond’ wurde. In: Der Aufbau, Nr. 50, 13. Dez. 1940.

[24] Anneler, Hedwig: Wie mein Hugenottenbuch ‚Blanche Gamond’ wurde. In: Der Aufbau, Nr. 50, 13. Dez. 1940.

[25] Eduard Müller sen. (1820-1900) war ab 1849 Pfarrer an der Heiliggeistkirche, ab 1869 Ordinarius für Praktische Theologie und in den akademischen Jahren 1870/71 und 1871/72 Dekan der ev.-theol. Fakultät. Vgl. Lindt, Andreas: Bern, Universität. TRE 5 (1980):638-642, 640; Dekane der Universität Bern abgerufen am 19.10.2011. – Sein Sohn Eduard Müller sen. (1848-1919) war Stadtpräsident von Bern (1888-95), Berner Grossrat (1882-95), Nationalrat (1884-95) und FDP-Bundesrat (1895-1919). Vgl. Stettler, Peter: Müller, Eduard. 19.11.2009. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D4619.php, abgerufen am 19.10. 2011.

[26] Weiterführende Informationen zu Gertrud Woker s. Rogger, Franziska 2002:178-198. Dass heute eine Strasse in Bern nach ihr benannt wird, ist eine (zu) späte Ehrung Wokers. Die Berner Gertrud-Woker-Strasse verbindet die Bühlstrasse mit der Muesmattstrasse. 19 der ersten 20 Einträge für “Gertrud-Woker-Strasse” bei Google (am 19.10.2011) gelten der gleichnamigen Strasse in Düsseldorf.

[27] BBB Legat Anneler, 42 I, C, 16 Briefentwurf an „Meine hochverehrte und herzlichgeliebte Professor Dr. Gertrud Woker“ datiert Luins, Vaud, Dezember 1958.

[28] BBB Legat Anneler, 42 I, C, 17 Marie Anneler 1969.

[29] Neujahrskarte vom 1.1.1907 an Prof. Dr. Karl Marti. Absender: Jehuda Marschak. Malerstr. 9, Bern. BBB Nachlass Karl Marti N 32.

[30] Anneler, Hedwig: Einige Laiengedanken zur Gesetzlichkeit des Judentums. In: Christlich-jüdisches Forum. Mitteilungsblatt der Christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz. Nr. 32, Okt 1963, 19-23 (20).

[31] Anneler-Beck, Marie: Die verlorene Melodie. In: Jüdische Jugend. Nr. 12 + 13. Beilage zu Nr. 19 und Nr. 21 des Frankfurter Israelitischen Familienblattes. 4. Jg., Mai 1906.

Der Herausgeber Saly Geis vermerkt darunter, dass die Verfasserin Christin sei, „die unter dem Einfluss des Zionismus das Judentum eifrig zu studieren begann und es zu verehren lernte“. Das Motiv des Märchens erinnert an Chaim Nachman Bialiks Gedicht יתומ ירחא.
Voraussichtlich wird zu diesem Thema ein Artikel in: Bloch, René/Picard, Jacques (Hg.): Geschichten der Juden in Stadt und Region Bern, i.V., erscheinen.

[32] Archiv der Universität Bern: StAB_BB IIIb 1302 Band XX.
Anneler, Hedwig: Professor Dr. Karl Marti. (Nachruf). In: Der Bund, 28. Apr. 1925, Nr. 175, 1. Bl. – BBB Legat Anneler, 42 I, C, 17 Marie Anneler 1969.

[33] BBB, Nachlass Karl Marti N 7 (2).

[34] Die Schreibweise des Familiennamens variiert. Im Immatrikulationsverzeichnis und in den Briefen an Marti: Marschak. In späteren Briefen aus Palästina auch Mahrsak oder Marslak.

[35] www.uniarchiv.unibe.ch, aufgerufen am 2. April 2011.

[36] BBB Nachlass Marti N 32. Brief Jehuda Marschaks an Karl Marti vom 22. Nov. 1907.

[37] BBB Legat Anneler, 42 I, C, 17 Marie Anneler 1969. Annelers hatten mit Jehuda Marschak bis zu dessen Tod Kontakt.

[38] BBB Nachlass Marti N 32. Brief Jehuda Marschaks an Karl Marti vom 8. Dez. 1908.

[39] BBB Nachlass Marti N 32. Brief Jehuda Marschaks an Karl Marti vom 22. Nov. 1907.

Dennoch scheint es mit der Diplomierung bis Ende 1908 Probleme zu geben: Brief Jehuda Marschaks an Karl Marti vom 5. Dez. 1908.

[40] Auch aus dem Nachlass von Karl Marti geht hervor, dass er bei Ungerechtigkeiten seine Stimme erhob. So kam es z.B. im Dez. 1905 und Jan. 1906 zu einem „Vortragscyclus zu Gunsten der Opfer der jüngsten Metzeleien in Russland“ in der Aula der Universität Bern. Das Thema lautete: Das Toleranzproblem, vom philosophischen, staatsrechtlichen, religionsgeschichtlichen und universalgeschichtlichen Standpunkt aus beleuchtet. Es referierten die Prof. L. Stein, K. Hilty, K. Marti und Ph. Woker. Der Eintritt kostete die für damals stattliche Summe von sFr. 10.-. BBB Nachlass Karl Marti N 21 (10).

[41] Die Rückkehr ‘besserer Zeiten’ liess auf sich warten. Martis Nachfolger wurde 1925 Max Haller (1879-1949), heute nur noch in Erinnerung als Mitherausgeber (mit Hugo Gressmann, Hermann Gunkel, Hans Schmid, Wilhelm Staerk und Paul Volz) von Die Schriften des Alten Testaments, in Auswahl [sic!] neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt (Göttingen 1910-1915, 21920-1925), dem gänzlich unkanonischen Vorgänger der Reihe ATD. Leonhard Ra- gaz hatte 1905 einen Ruf an die Universität Bern abgelehnt. 1927 scheiterte die Berufung Karl Barths. Zwischen 1930 und 1960 litt die Fakultät unter starken Spannungen zwischen dem Dogmatiker Martin Werner (1887-1964) und dem konservativen Neutestamentler Wilhelm Michaelis (1896-1965). Vgl. Lindt, Andreas: Bern, Universität. TRE 5 (1980):638-642.

[42] Den Boden der Küsten-Ebene bei Tel Aviv ‘arm’ und ‘dürr’ zu nennen, ist freilich ‚rhetorischer Overkill’, zu dem Hedwig Anneler immer wieder neigte.

[43] Der Begriff ‘Textkritik’ umfasst bei Hedwig Anneler sowohl die ‘niedere Kritik’, auf die er heute im deutschen Sprachraum weitgehend beschränkt ist, als auch die ‘höhere’, die jetzt als Literar- oder Redaktionskritik bezeichnet wird.

[44] Anneler, Hedwig: Professor Dr. Karl Marti. (Nachruf). In: Der Bund, 28. Apr. 1925, Nr. 175, 1. Bl. Karl Marti wurde an seinem siebzigsten Geburtstag zu Grabe getragen. An diesem Tag wollten ihm die Philosophen der Fakultät ursprünglich den Ehrendoktor geben und seine internationalen Fachgenossen ihm eine Festschrift überreichen. Die Festschrift erschien postum: Budde, K. (Hg.): Vom AT. Karl Marti zum siebzigsten Geburtstage. BZAW 41. Berlin 1925.

[45] Staerk, Willy: Die jüdisch-aramäischen Papyri von Assuan, sprachlich und sachlich erklärt. Kleine Texte für theologische Vorlesungen und Übungen 22/23. Bonn 1907. Wie schon die irrige Zuschreibung an den Fundort Assuan im Titel zeigt, handelt es sich hier um eine Bearbeitung von Sayce, Archibald Henry/ Cowley, Arthur Ernest: Aramaic Papyri discovered at Assuan. London 1906, mit masoretischer Vokalisation.

[46] Anneler, Hedwig 1912: III-IV.

[47] Die Jüdische Volksstimme, 1913, Nr. 38. Diese Besprechung findet sich im Verlagsverzeichnis der Akademischen Buchhandlung von Max Drechsel im Frühling 1914.

[48] Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 1914. Diese Besprechung findet sich im Verlagsverzeichnis der Akademischen Buchhandlung von Max Drechsel im Frühling 1914.

[49] S. u. Abschnitt II.

[50] Köhler, Ludwig: Zur Geschichte der Juden von Elefantine. In: NZZ Dienstag, 29. Juli 1913, No. 208, Zweites Abendblatt, S 1-2.

[51] Diese Datierung (statt 622) findet sich auch bei Meyer, Eduard: Der Papyrusfund von Elephantine (Leipzig 1912).

[52] G.W. (= Gertrud Woker): Die Papyrusfunde von Elephantine. In: Berner Intelligenzblatt. Freisinnig - demokratisches Organ. Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Bern, Nr. 190, 80. Jg. vom 15. Juli 1913.

[53] Z.B. widmete ein J.K. von der Literarischen Rundschau. Beilage zum Berliner Tagblatt. No. 420, 4. Beiblatt vom 20. August 1913 der Dissertation eine lobende Besprechung. Vgl. zur Rezeption in der Fachliteratur Abschnitt III.

[54] Baumgarten, Walter: Dreissig Jahre Elephantine-Papyri. NZZ, Jg. 159. Morgenausgabe No. 1448, 17. August 1938.

[55] Frau Pfarrer, Ihr solltet ... Ein Erinnerungsblatt I, Oberländer Sonntagsblatt 41, 16. Okt. 1966.

[56] Frau Pfarrer, Ihr solltet ... Ein Erinnerungsblatt I, Oberländer Sonntagsblatt 41, 16. Okt. 1966.

[57] BBB 42 I, C, 17 Anneler, Marie: Aus dem Leben einer tapferen Frau. Biographische Notizen aus dem Leben der Dichterin Hedwig Anneler. 1969.

[58] Linsmayer, Charles: Hedwig Anneler. Der Bund. 19. Dezember 1987. 138.Jg., Nr. 297, resp. auch auf www.wikiwallis.ch/index.php/Hedwig_Anneler, abgerufen am 10.3.2011.

[59] Die Garbe. Schweizerisches Familienblatt. Hg. von Rudolf von Tavel. Druck und Verlag von Friederich Reinhardt, Basel. Jg. 1, Nr. 4, 1917.

[60] Ein Kritiker eines Vortrags von Hedwig Anneler vor der Deutschen Vortragsgesellschaft von Freiburg im Walliser Boten Nr. 102, 1920. Weiterführende Informationen zu Hedwig Anneler im Lötschental s. Antonietti, Thomas: Literatin des Volkslebens: Hedwig Anneler, Lötschentaler Museum, Kippel, erscheint 2012. Im Sommer 2011 wurden Hedwig und Karl Anneler vom Lötschtaler Museum in Kippel im Rahmen einer Sonderausstellung gewürdigt, vgl. Abb. 4.

[61] Z.B. NZZ, Der Sonntag, Basler Nachrichten, Neuer Volkskalender (Hg. Sozialdemokr. Partei der Schweiz), Neue Berner Zeitung, Der Bund.

[62] Linsmayer 1987 und Vincenz 2011:49 sind beide der Meinung, Anneler sei ledig geblieben. Artikel in Glarnerland u. Walensee (Illustriertes Fremdenblatt und Fremdenliste) zwischen 1925 und 1927 sind mit Annelers Doppelnamen gezeichnet. – Nachfolgende Informationen und sämtliche Zitate über Jenni und seine Ehe mit Anneler stammen aus Jennis Nachlass in der Bibliothèque de Genève, Dept. des manuscrits, Ms. fr. 7545.

[63] Eidg. Kommission für Frauenfragen: Frauen Macht Geschichte. Zur Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz 1848-2000. 2.1 Der lange Weg zum Frauenwahlrecht. www.ekf.admin.ch/dokumentation/00444, abgerufen am 6.4.2011.

[64] Das weibliche Priestertum in frühchristlichen Zeiten. Der Bund, Nr. 494, 13. Nov. 1927.

[65] BBB 42, I, C, 16. – Die ‘Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit’ fand erstmals 1928 in Bern statt. Organisiert wurde sie vom BFS (Bund Schweizerischer Frauenvereine), vom SFG (Schweizerischen Frauengewerbeverband), vom SKF (Schweizerischen Katholischen Frauenbund) und von 28 weiteren Frauenvereinigungen. Anlass war die prekäre Lage erwerbstätiger Frauen in den Nachkriegsjahren. Thematisiert wurden die Leistungen der Frau in Familie, Erwerbswelt, Wissenschaft und Kunst. Vgl. Voegeli, Yvonne: Saffa. 7.2.2011. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17336.php, abgerufen am 19.10.11.

[66] Das Frauenstudium an den Schweizer Hochschulen, hg. vom Schweizerischen Verband der Akademikerinnen. Bern 1928.

[67] Aus der Geschichte des Frauenstimmrechtsgedankens in der Schweiz. In: Zu der Frage der Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechtes in der Schweiz. Referentenführer. Hg. vom Aktionskomitee der Petition betreffend die Einführung des Frauenstimmrechtes in der Schweiz. Bern 1929:3-11.

[68] Z.B. in Der Bund, Nr. 472 und 484. 1932.

[69] BBB I, B, 8 Auf einem maschinengeschriebenen Blatt ist ein angefangener Briefentwurf vom 2. Juni 30 an Reinhard erhalten, in dem Anneler um die Verlängerung eines Ablieferungstermins für eine Novelle bittet. Ihre Mutter sei schwer herzkrank. Sie besorge die Pflege.

[70] BBB, I C, 16.

[71] z.B. Mme Necker-de Saussure, eine grosse Erzieherin 1766-1841. In: Der schweizerische Kindergarten. Jg. 27, Nr. 5, 1937. – Die Schriftstellerin Anne Louise Germaine de Staël-Holstein (geb. 1766 in Paris, gest. 1817 ebenda) wuchs in einem kultivierten Elternhaus auf: Ihr Vater, der Genfer Jacques Necker, war Bankier und französischer Finanzminister, die Mutter führte einen Salon. Als Gegnerin Napoleons musste Madame de Staël viele Jahre ausserhalb Frankreichs verbringen. Ihre Freundin und Cousine Albertine Necker de Saussure (geb. 1766 in Genf, gest. 1841 in Vallée du Salève) war ebenfalls Schriftstellerin. Ihr 1828 erschienenes pädagogisches Hauptwerk L’Education progressive ou Etude du cours de la vie wurde von der Académie française ausgezeichnet.

[72] z.B. Die goldene Medaille. Frauenzeitung Berna, Jg. 35, Nr. 15, 1934. Die Erzählung handelt von der Jugend ihrer Mutter.

[73] z.B. Acht Kinder und eine Mutter. Der Bund, Nr. 59, 5. Febr. 1933.

[74] Clara Ragaz-Nadig (geb.1874 in Chur, gest. 1957 in Zürich), Ehefrau von Leonhard Ragaz, war Mitbegründerin des Schweiz. Bundes abstinenter Frauen in Basel und Mitglied der Union für Frauenbestrebungen. Von 1929 bis 1946 war sie Vizepräsidentin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, deren Schweizer Sektion sie 1915 mitgegründet hatte und bis 1946 präsidierte. Sie zählt zu den bedeutendsten Schweizer Pazifistinnen und Feministinnen der ersten Hälfte des 20. Jh.s. Vgl. Studer, Brigitte: Ragaz-Nadig, Clara. 26/07/2010. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10792.php, abgerufen am 1.11.11. Weiterführende Information zur deutschen Friedensbewegung und aktiven Frauen wie Gertrud Baer, s. Häntzschel, Hiltrud: Frauenfriedensbewegung. 11.03.2011. www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44997?pdf=true, abgerufen am 1.11.11.

[75] BBB 42, I, C, 16 Briefentwurf an „Meine hochverehrte und herzlichgeliebte Professor Dr. Gertrud Woker“ (80. Geburtstag). Luins, Dezember 1958.

[76] BBB, 42, I, C, 16.

[77] Bayet, Albert: An die Jungen! Anneler, Hedwig (Trad.) In: Nie wieder Krieg, Jg. 15, Nr. 4, Zürich 1937 (Hg. Jugendgemeinschaft ‚Nie wieder Krieg’. Unabhängige Blätter für Frieden, Freiheit und soziale Demokratie – gegen Kriegsrüstung und Diktatur)

[78] Die Kinder der andern. Ein Wort ins Heute. I-III. Der Bund, Nr. 415, 421, 427, 6., 10., 13. Sept. 1933.

[79] Françoise de Warens, geborene de la Tour, (geb.1699 in Vevey, gest. 1762 in Chambéry), war Förderin und Geliebte von Jean-Jacques Rousseau. Sie betrieb chemische Studien. Meyers Grosses Konversations-Lexikon: http://de.academic.ru/d.c.nsf/meyers/149271/Warens abgerufen am 19.10.2011.

[80] Blanche Gamond (geb. 1664 in Saint-Paul-Trois-Château, gest. 1718 in Zürich) wurde aufgrund ihres Glaubens zu lebenslanger Haft verurteilt und gefoltert. Nach ihrer Freilassung zog sie mit ihren Eltern in die Schweiz, wo sie ihre Lebenserinnerungen verfasste.

[81] Claparède, Théodore et Goty, Edouard: Deux héroïnes de la foi. Blanche Gamond – Jeanne Terrasson. Récits du XVIIe siècle. Paris 1880.

[82] Wie mein Hugenottenbuch ‚Blanche Gamond’ wurde. In: Der Aufbau, Nr. 50, 1940 .

[83] Eine der ersten Erzählung zum Hugenottenthema ist Des Königs getreue Dienerin. Sonderdruck aus dem Jahrbuch ‚Die Ernte’ 1934.

[84] Die Schweiz und ihre Nachbarn: ein alter Schweizergrundsatz. In: Der Bund, Jg. 86, Nr. 157, 3. April 1935

[85] Flüchtlinge in der Schweiz vor 250 Jahren. In: Der Aufbau. Sozialistische Wochenzeitung Nr. 50, 16. Dez. 1938. Der Artikel basiert auf einem in Zürich am 30.9.1938 im RUP gehaltenen Vortrag.

[86] In: Der Aufbau. Sozialistische Wochenzeitung Nr. 51, 23. Dez. 1938.

[87] Oprecht, Emil (geb. 1895 in Zürich, gest. 1952 in Zürich) wandte sich nach einem Volkswirtschaftsstudium dem Verlagswesen zu. Ab 1924 war er Leiter der Genossenschaft Unionsbuchhandlung und Verlag Zürich, 1925 Mitgründer des Verlags und der Buchhandlung Dr. Oprecht & Helbling. Im Zeichen des antifaschistischen Widerstands war er 1933 Mitgründer und ab 1935 alleiniger Geschäftsführer der Europa-Verlags-AG. In beiden Verlagen publizierten namhafte Emigranten. Zwischen 1933-45 war seine Wohnung Anlaufstelle für Emigranten. Vgl. Gautier, Michael: Oprecht Emil. 26.11.2009. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9535.php, abgerufen am 19.10.2011.

[88] BBB 42, I, B, 8 Briefentwurf vom 31.1.39 an Oprecht, wo Anneler dem Verlag mitteilt, dass Ragaz bereit sei, die Leserschaft zu einer Subskription ihres Buches aufzufordern.

Ragaz, Leonhard (geb. 1868 in Tamins, gest. 1945 in Zürich) war liberaler reformierter Theologe. 1906 war er an der Entstehung der religiös-sozialen Bewegung und an der Gründung der Zeitschrift ‚Neue Wege’ beteiligt, die er 1921-1945 als Redaktor betreute. Er wurde zur zentralen Figur der internationalen Bewegung des religiösen Sozialismus, wobei er für föderalistische, genossenschaftliche und pazifistische Ansätze eintrat. Er war Präsident der Schweiz. Zentralstelle für Friedensarbeit. Schon früh suchte er den Dialog mit dem Judentum. Antisemitismus und Nationalsozialismus lehnte er entschieden ab. Seine Reich-Gottes-Theologie war stets mit politischem Engagement verbunden. Vgl. Brassel-Moser, Ruedi: Ragaz, Leonhard. 26.07.2010. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9059.php, abgerufen am 19.10.2011.

[89] Leonhard Ragaz: Ein Buch, das erscheinen möchte und sollte. In: Neue Wege. Blätter für religiöse Arbeit, Jg. 33, Heft 11, Zürich: Verlag Vereinigung ‚Freunde der Neuen Wege’, November 1939:536.

[90] Nachwort der Redaktion zu Anneler, Hedwig: Hugenottenheldinnen in der Schweiz. Schweizer Frauenblatt 1939.

[91] Blanche Gamond. Ein Hugenottenbuch. Zürich/ New York:1940.

[92] Nahum Goldmann (geb. 1895 in Wischnewo, Weissrussland, gest. 1982 in Bad Reichenhall) studierte in Deutschland Jura, Geschichte und Philosophie. Ab 1918 engagierte er sich für den Zionismus, hielt zu diesem Zeitpunkt die Gründung des Staates Israel jedoch noch für verfrüht. Frühzeitig warnte er vor der Bedrohung der Juden durch die Nazis. 1929-1940 war er mit Unterbrechung Vertreter der Jewish Agency beim Völkerbund in Genf. Der Verhaftung durch die Nationalsozialisten entging er, da er beim Begräbnis seines Vaters in Palästina war. Er kehrte nach Genf zurück. Von hier aus half er verfolgten Juden. Ab 1940-1960 war er in den USA. In der Nachkriegszeit trat er für einen jüdischen und arabischen Staat in Palästina ein. ‚Wikipedia’, abgerufen am 19.10.11.

[93] Ein Brief vom Zionistenkongress. In: Der Aufbau. Schweizerische Wochenzeitung für Recht, Freiheit und Frieden. 20. Jahrgang. Zürich, 25.8. und 2. 9.1939. Nr. 34 und 35; 268 -279.

[94] Anneler, Marie Elisabeth: Aufzeichnungen 1974. Privatarchiv Markus Anneler.

[95] קרננו = Organ des Hauptbüros des Keren Kayemeth Leisrael (קרן קימת לישראל), Jerusalem s. Anm. unten; Mensuel = La conscience des juifs. Organe du Réveil de l’idéalisme chez les juifs par la lutte contre l’antisémitisme hitlérien.

[96] BBB 42, I, B, 8. Der Keren Kayemeth Leisrael (KKL קרן קימת לישראל) wurde 1901 in Basel gegründet. Er erwarb in Palästina gezielt Land, bewässerte es (resp. legte Sümpfe trocken) und bepflanzte es.

[97] BBB 42 I, C, 17 Anneler, Marie 1969.

[98] Die alte Mühle befindet sich nicht in Givrins sur Nyon (Vincenz 2011). Die Korrespondenzadresse dieser Zeit lautet Luins.

[99] Der Plan Wahlen (Friedrich Traugott Wahlen, Chef der Abteilung für landwirtschaftliche Produktion und Hauswirtschaft im Eidg. Kriegsernährungsamt) war während des Zweiten Weltkriegs ein Programm zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung. Planmässig wurde der agrarische Mehranbau und die Umstellung auf die Selbstversorgung gefördert. Vgl. Tanner, Albert: Anbauschlacht. 25.05.2010. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13783.php, abgerufen am 19.10.2011.

[100] BBB 42 I, C, 17 Anneler, Marie 1969.

[101] Ab Ende der 50-er Jahre lautet die Korrespondenzadresse Givrins sur Nyon.

[102] BBB 42 I, C, 17 Anneler, Marie 1969.

[103] Prof. Dr. Gertrud Woker zum Gedenken. Volkszeitung, Oberland, Nr. 204, 2. Bl. 18. Okt. 1968.

[104] Ronner, Emil Ernst: Krone des Lebens. Blanche Gamond, ein Leben für den Glauben. Basel 1967.

[105] BBB 42, I, C, 16.

[106] Brief aus dem Welschland, handelnd von Haydn und anderem. Berner Oberländer Volkszeitung (Für unsere Frauen), Nr. 219, 3. Bl., 12. Nov. 1959.

[107] Ludwig von Moos (1910-1990), CVP, wurde als erster Vertreter der Urschweiz in den Bundesrat gewählt (1959-1971). 1964 und 1969 war er Bundesratspräsident. Vgl. Feusi Widmer, Roswitha: Von Moos, Ludwig. 17.11. 2009. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D4720.php, abgerufen am 19.10.2011.

[108] BBB 42, I,C, 16.

[109] Meyer, Eduard: Der Papyrusfund von Elephantine. Leipzig: Hinrich, 1912.
Faktisch erschien Eduard Meyers Monographie etwas früher. Sie wird heute noch zitiert von: Weippert, Manfred: Historisches Textbuch zum Alten Testament. GAT 10. Göttingen 2010: 475 (weiterhin HTAT) und Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen. Geschichte 2. Göttingen 1986: 415, Anm. 6. – Hedwig Annelers Dissertation findet sich noch in der Bibliographie von Cowley, Arthur [Ernest]: Aramaic Papyri of the 5th Century B.C. Oxford 1923: VIII und, mit einem Hinweis auf die Vorbildlichkeit dieser Dissertation, bei Kraeling, Emil G.: The Brooklyn Museum Aramaic Papyri. New Documents of the Fifth Century B.C. from the Jewish Colony at Elephantine. New Haven 1953: 15 mit Anm. 54, wird aber bereits bei Vincent, Albert: La religion des judéo-arameens d’Eléphantine. Paris 1937, einer ebenso langfädigen wie langweiligen Arbeit, ignoriert.

[110] 1906 trat Paul Haupt (1889-1978) in die ‚akademische Buchhandlung für Medizin und Naturwissenschaften’ ein, die er 1918 übernahm und die unter seinem Namen noch besteht. de.wikipedia.org/wiki/Paul_Haupt_(Verleger), abgerufen am 20.10.2011.

[111] Das Titelblatt ziert eine Wiedergabe der Aamu-Karawane von Beni Hassan (19./18. Jh. v.u.Z.), was hübsch aussieht, aber mit Elephantine nicht mehr viel zu tun hat. Wertvoll sind hingegen ein Karte von Assuan und Umgebung (S. 2), die Umzeichnungen von Fotos aus den Ausgrabungen von O. Rubensohn 1906-1907 (S. 5, 25, 28), die Ikonographie des Gottes Chnum (S. 6, 11) und der Göttin Anat (S. 84), die Umzeichnung des 1822 zerstörten Chnum-Tempels nach der Description de l’Egypte (S. 7), die Architektur-Rekonstruktions-Zeichnungen (S. 26-27), Realien aus Ermans Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum (S. 26, 29) und der gegenüber seinen Vorgängern verbesserte Stadtplan (S. 38). Die Umzeichnung der Holzfigur (S.85) ist ohne den begleitenden Text unverständlich. Vgl. die Abb. 8-11. Eduard Meyers Buch hingegen ist, wie man damals von ‘seriöser’ Geisteswissenschaft/Historiographie erwartete, abbildungsfrei.

[112] Eine Überprüfung der Online-Kataloge der betreffenden Universitätsbibliotheken am 19.10.2011 ergab: die Dissertation von Hedwig Anneler ist vorhanden in Tübingen, Freiburg i.Br., Marburg, Giessen, München, Bamberg, Münster, Göttingen, Kiel und Leipzig. Sie fehlt in Heidelberg, Erlangen, Würzburg, Frankfurt, Mainz, Bonn, Rostock, Greifswald, Berlin (Humboldt), Jena und Halle (mit dem Sondersammelgebiet Orientalistik!). In der Jewish National and University Library, Jerusalem, hingegen ist sie vorhanden.

[113] Cf. Kratz, Reinhard Gregor: Israel als Staat und als Volk. ZThK 97 (2000):1-17. Levin, Christoph: Das vorstaatliche Israel. ZThK 97 (2000): 385-403.

[114] In der Perserzeit kann man noch nicht von ‘Juden’ sprechen: noch bildeten Judäer und Samarier gemeinsam das ‘biblische Israel’. Erst mit der Konfessionalisierung der religionsgeographischen Unterscheidung seit dem 3. Jh. v.u.Z. gibt es ‘Juden’ und ‘Samaritaner’, womit die kulturgeschichtliche Kontinuität zwischen den Judäern der Monarchie und der Perserzeit und den Juden (seit dem 3. Jh. v.u.Z.) nicht bestritten werden soll.

[115] Hayes, John H./Miller, J. Maxwell (Ed.): Israelite and Judaean History. London 1977: 532-535 (der betreffende Beitrag stammt von Geo Widengren).
Miller, J.M./Hayes, J.H.: A History of Ancient Israel and Judah. Philadelphia 1986; Louisville/London 22006.

[116] Vgl. Anm. 108.

[117] Porten, Bezalel: Archives from Elephantine. The Life of an Ancient Jewish Military Colony. Berkeley/Los Angeles 1968.

[118] Kessler, Rainer: Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung. Darmstadt 2006.

[119] Sayce, Archibald Henry /Cowley, Arthur Ernest: Aramaic Papyri discovered at Assuan. London 1906.
Sachau, Eduard: Aramäische Papyrus und Ostraka aus einer jüdischen Militärkolonie zu Elephantine. Leipzig 1911.

[120] Cowleys, Arthur [Ernest]: Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C. Oxford 1923.

[121] Kraeling, Emil G.: The Brooklyn Museum Aramaic Papyri. New Documents of the Fifth Century B.C. from the Jewish Colony at Elephantine. New Haven 1953. Kraeling gibt auf S. 9-15 einen guten Überblick zur Editions- und Forschungsgeschichte zwischen 1893 und 1912.

[122] Driver, Godfrey Rolles: New Aramaic Documents of the Fifth Century B.C. Oxford 1953.

[123] Bresciani, Edda/Kamil, Murad: Le lettere aramaiche di Hermopoli: Atti della Academia Nazionale dei Lincei, Memorie della classe di science morali, storiche e filologiche, série VIII, vol. XII. Rom 1966: 356-428.

[124] Porten, Bezalel/Yardeni, Ada:, אוסף תעודות ארמיות ממצרים העתיקה Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt. Jerusalem I 1986; II 1989; III 1993; IV 1999.

[125] Cf. v. Pilgrim, Cornelius: Der Tempel des Jahwe. MDAIK 55 (1999):142-145.

[126] Das Gegenteil ist der Fall: Sowohl AP 21 = TAD A4.1 = HTAT 479-80.283 (das Mazzot-Edikt von 419) wie AP 32 = TAD A4.9 = HTAT 484.286 (die Verfügung zum Wiederaufbau des Jaho-Tempels von 407-406) sprechen für 398 als das ‘Jahr Esras’.

[127] Zur Geschichte der Juden von Elephantine, 66. Da es in Elephantine keine ‘heiligen Schriften’ gab, weder auf Hebräisch noch auf Aramäisch, wird nicht nur durch das völlige Fehlen von Bezugnahmen darauf bezeugt, sondern auch durch die beiden Schulbücher, die dem Unterricht an der Tempelschule dienten: Achikar und Bisutun, also Texte, in denen es um die Loyalität zum Grosskönig geht. Also lässt das hebräische Adstrat keinen Zweifel daran, dass die Judäer von Elephantine als Umgangssprache untereinander und wohl auch in ihrem Kult ihr angestammtes benjaminitisches Hebräisch verwendeten.

[128] Die Polemik um die ‘Himmelskönigin’ kann nach heutigen Erkentnisstand in Jerusalem erst nach 519 geführt worden sein, cf. Uehlinger, Christoph: Die Frau im Epha (Sach 5,5-11): eine Programmvision von der Abschiebung der Göttin. BiKi 49 (1994):93-103, kann aber trotzdem einen Bezug zur Religion der Judäer im gleichzeitigen Ägypten haben.

[129] Eine andere Lesart als ‚Jaho’ ist aufgrund der beiden Orthographien יהה und יהו ausgeschlossen.

[130] Cf. Knauf, Ernst Axel: Rez. von William G. Dever. Did God Have a Wife? Archeology and Folk Religion in Ancient Israel (2005). Biblica 89 (2008):138-140.

[131] Etwa Becking, Bob: Die Gottheiten der Juden in Elephantine. In: Oeming, Manfred/Schmid, Konrad (Hg.): Der eine Gott und die Götter. Polytheismus und Monotheismus im antiken Israel. AThANT 82. Zürich 2003: 203-226; Becking, Bob: Yehudite Identity in Elephantine. In: Lipschits, Oded / Knoppers, Gary N. / Oeming, Manfred (Ed.): Judah and Judaeans in the Achaemenid Period. Negotiating Identity in an International Context. Winona Lake 2011:403-419.

[132] Kratz, Reinhard Gregor: The Second Temple of Jeb and of Jerusalem. In: Lipschits, Oded/Oehming Manfred (Ed.): Judah and the Judeans in the Persian period. Winona Lake 2006:247-264; Dion, Paul-Eugène: La religion des papyrus d'Éléphantine. Un reflet du Juda d'avant l'exil. In: Hübner, Ulrich/Knauf, Ernst Axel (Hg.): Kein Land für sich allein. Studien zum Kulturkontakt in Kanaan, Israel/Palästina und Ebirnari für Manfred Weippert zum 65. Geburtstag. OBO 186. Freiburg (CH)/Göttingen 2002: 243-254; Knauf, Ernst Axel: Elephantine und das vor-biblische Judentum. In: Kratz, Reinhard Gregor (Hg.): Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden. Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 22. München 2002:165-174.

[133] Wahrscheinlich ohne die in Genesis 28 beschriebenen neubabylonischen Innovationen. S. dazu Hurowitz, Victor A.: Babylon in Bethel – new light on Jacob's dream. In: Holloway, Steven Winford (Ed.): Orientalism, Assyriology and the Bible. Sheffield 2006:436-448.

[134] Vgl. auch den lesenswerten Verriss von Eduard Meyers Elephantine-Buch durch Rudolf Smend senior in ThLZ 37 (1912):484-488. „Für eine fruchtbare Mitarbeit an der alttestamentlichen Wissenschaft fehlen bei E. Meyer die Vorbedingungen... Abgesehen von alledem führt ihn schon die Hast, mit der er schreibt, zu den sonderbarsten Fehlgriffen und Selbstwidersprüchen. Dass Manasse trotz seines Götzendienstes von Jahve nicht habe abfallen wollen, beweist er S. 50 daraus, dass Manasse seinem Sohne Josia einen von Jahve abgeleiteten Namen gegeben habe. E. Meyer sollte wissen, dass Josia der Enkel Manasses war. ... S. 35 sagt er, die Kolonie von Elephantine sei in vordeuteronomischer Zeit entstanden, S. 53 stellt er das Gegenteil als möglich hin. S. 47 sagt er, dass der Jahvekult von Jerusalem immer bildlos geblieben sei, S. 49 erklärt er, die eherne Schlange habe im Tempel von Jerusalem gestanden“ (ebd. 488).

[135] Auch das sah die zeitgenössische Rezeption. Die Rezension von Georg Beer in ThLZ 39 (1912):101-2 enthält den HInweis: „Wir müssen abwarten, ob die auch von anderer Seite befürwortete Gründung der Judenkolonie in Elephantine bald nach 586 sich auf die Dauer behaupten wird. Es spricht ja in der Tat gar manches dafür!“ Hubert Grimme beginnt seine Rezension in OLZ 17 (1914):406-7: „Vorliegendes Buch bringt mehr, als sein Titel besagt; denn es bietet uns ein wohl abgerundetes Bild vom Leben und Treiben der Judenschaft Elephantines nach den bekannten Papyrusfunden.“

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Judith Hélène Stadler,

M.A., ist Judaistin und Berner Doktorandin im Fach 'Hebräische Bibel'.

Ernst Axel Knauf,

ist Professor für Hebräische Bibel, Altes Testament und biblische Umwelt am Institut für Bibelwissenschaft, Bern.

© Judith Hélène Stadler und Ernst Axel Knauf, 2011, lectio@theol.unibe.ch, ISSN 1661-3317

 
 
 
 

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