Archives - Vous trouverez ici les anciens numéros de lectio.

01-2022

Ausgabe 01/2022
David Bindrim Heilige Huren und päderastische Priester? Eine Annäherung an die Semantik von קָדֵשׁ im Alten Testament

Abstract:

This paper deals with the problem of the Hebrew term קָדֵשׁ. It is usually associated with temple prostitution in Ancient Israel, although evidence for temple prostitution in Israel is missing. After a summary of the myth of sacred prostitution, as it was ‘invented’ by researchers of the 19th and 20th century, the paper gives an analysis of the ten instances in the Old Testament where the term occurs. Instead of a conclusion, the author offers a thesis about the origin and use of the term קָדֵשׁ. Originally a broad term for priestly personnel, it developed into an insult, which has more sexual than cultic connotations.

1. Einleitung

Dass es Kultprostitution im Antiken Israel oder auch in Mesopotamien jemals gegeben hat, darf als Forschungsmythos angesehen werden.[1] Zum einen entstammt diese Behauptung der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts, die vom Orientalismus geprägt war, zum anderen ist eine solche These nur mittels zweifelhafter Behauptungen und naiver Quellenlektüre zu halten. Eine Übersetzung des Ausdrucks קָדֵשׁ mit „Kulthurer“ und von קְדֵשָׁה mit „Kultdirne“, wie dies etwa noch in der 2017er Revision der Lutherbibel geschieht, ist somit sachlich falsch.[2] Zu keinem Zeitpunkt haben die Personen, die als קָדֵשׁ bezeichnet werden, eine sexuelle Kulthandlung vollzogen. In einem früheren Beitrag kam der Verfasser zu dem Schluss, dass der Ausdruck קָדֵשׁ kein terminus technicus für die Kultprostitution ist, der somit auch nur für Frauen zu veranschlagen sei:

„Was genau diese Damen jedoch für eine Rolle spielten, muss angesichts des vielseitig anwendbaren Begriffs und in Anbetracht der disparaten Quellenlage offen bleiben. Und auch viele weitere Fragen zur Prostitution im Alten Testament müssen (dauerhaft?) als ungeklärt gewertet werden. Hoffentlich werden zukünftige Forschungen diese Lücken schließen. Mit den vorliegenden literarischen ‚Belegen‘ allein wird dies aber wohl kaum gelingen. So divers und zeitlich, räumlich wie kulturell auf Verschiedenes bezogen, wie die Quellen sind, muss hier vor jeglichen absolutiven Aussagen gewarnt werden.“[3]

Muss es bei diesem pessimistischen Urteil bleiben, oder kann doch mehr über die Bedeutung von קָדֵשׁ gesagt werden? Wie dieser Beitrag aufzeigt, kann eine letztliche Klärung zwar nicht erfolgen, doch anhand einer eingehenden Analyse der Kontexte, in denen die Belege erscheinen, lässt sich eine Annäherung vornehmen, die zumindest eine gewisse semantische Eingrenzung ermöglicht. Über die bisher erfolgten Darstellungen zum Ausdruck קָדֵשׁ hinausgehend soll eine abschließende These aufgestellt werden, welche das Oszillieren zwischen sexuellen und kultischen Konnotationen zu erklären vermag. Zunächst wird jedoch nochmals die Diskussion um die Kultprostitution skizziert werden, welche in meinem früheren Artikel erfolgte.[4]

 

2. Forschungsmythos Kultprostitution

Im Hosea-Kommentar von H. W. Wolff wird sehr bildreich beschrieben, wie die vermeintliche Kultprostitution im antiken Israel vonstatten gegangen sein soll. Das Volk habe in Aufnahme des „Kanaanäertums“[5] sexuelle Handlungen im Kult etabliert. Und nicht nur das, Hosea kritisiere sogar, „daß auch die Priester sich unter den Bräuten, die sich zu den Initiationsriten auf den Höhen einfinden, gern eine Schöne suchen und sich mit ihnen ins Gebüsch schlagen, wenn nicht gar offiziell die […] Priester die Funktion wahrnahmen, die nach Herodot ‚die Fremden‘ üben.“[6]

Der Verweis auf Herodot bezieht sich auf dessen Historien. Im 199. Kapitel des ersten Buches lässt sich Herodot über ὁ δὲ δὴ αἴσχιστος τῶν νόμων […] τοῖσι Βαβυλωνίοισι „die schlimmste Sitte für die Babylonier“ aus. Hierbei beschreibt er ausführlich, dass sich jede Frau im ganzen Land einmal in ihrem Leben in den Temenos des Tempels der Aphrodite (= Ištar?) in Babylon begeben müsse, um dort einmaligen Sexualverkehr mit einem fremden Mann zu haben. Die Summe, welche die Frauen ohne Verhandlung von den Männern akzeptieren müssen, fällt dem Tempelschatz zu, die Sexualhandlung wird außerhalb des Tempelbezirks durchgeführt (Herodot, Historien, I,199).

Bereits in dieser kurzen Zusammenstellung wird der Unterschied zwischen Herodot und Wolff klar: Während Herodot von einer ‚Dienstverpflichtung‘ aller Frauen zu einer einmaligen Prostitutionshandlung spricht, beschreibt Wolff, dass an den Heiligtümern selbst ein spontaner Sexualverkehr innerhalb der Kultgemeinde stattfindet, wobei die Frage einer Bezahlung nicht thematisiert wird. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass den Historien mit Vorsicht zu begegnen ist, denn „Herodots Darstellung konnte als antiker Orientalismus entlarvt werden, um die Gebräuche der Babylonier als Negativfolie für die Konstruktion einer griechischen Identität zu nutzen.“[7]

Da die griechischen Quellen nicht als Belege für Kultprostitution in Israel herhalten können, verbleiben noch die häufig gebotenen Vergleiche mit den qadištu(m)-Belegen aus Mesopotamien.[8] Die Frauen, die als qadištu(m) bezeichnet wurden, stehen in Verbindung mit dem Ištar- bzw. Inanna-Kult. Und da diese beiden Göttinnen uns als Liebesgöttinnen in den Texten entgegentreten, sei klar, dass ein Dienst in ihrem Namen zwingend sexueller Natur sein müsse. So ließe sich zumindest überspitzt die Argumentation vieler Advokaten der Kultprostitution zusammenfassen. Denn „Inana [sic …] bzw. Ištar verkörpert die Macht der Sexualität im weitesten Sinne; sie ist die Lebenskraft, welche die Fortpflanzung von Mensch und Tier bewirkt und erhält.“[9]

Diese Begründung aus dem Religionsvergleich ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht überzeugend. Denn zum einen ist nicht ersichtlich, ob die Qedeschen im Alten Testament überhaupt in einer Verbindung zum Ištar-Kult stehen. Ein unklarer Hinweis darauf wäre nur aus 2 Könige 23,7 zu erheben (mit Verweis auf Aschera), welcher weiter unten besprochen wird. Hinzu kommt, dass die Hälfte der biblischen Belege (auch) auf Männer entfallen und somit eine einseitige Deutung als „Priesterinnen für Ištar“ bereits innertextlich falsch ist. Zum anderen ist die Engführung der Ištar auf den Aspekt der Sexualität simplistisch. Eine erotische Symbolik ist nicht mit Sex gleichzusetzen. Dass eine Liebesgöttin – oder auch ein Liebesgott – erotisch, ja sexy ist und in Bild und Schrift begehrenswert dargestellt wird, sollte nicht verwundern. Aber aus dieser bloßen Tatsache abzuleiten, dass deshalb im betreffenden Kult Sexpartys gefeiert wurden, und diese Idee sogar zu der Behauptung eines sakralen Bordells gesteigert wird, sagt wahrscheinlich mehr über den Interpreten als über das Interpretandum aus.

Den Ursprung des Mythos Kultprostitution konnte bereits Nyberg in Frazers mystisch-mythologischen Buch Golden Bough ausfindig machen.[10] Bird konnte in ihrer umfassenden, sehr empfehlenswerten Studie aufzeigen, dass die gesamte These der israelitischen Kultprostitution nur auf ein, zwei Abschnitten beruht, in welchen Frazer eine Übertragung der vermeintlichen Kultprostitution in Mesopotamien auf das antike Israel andenkt. Im Zuge der weiteren Rezeption wurde dann aus Frazers Überlegung ein geschichtliches Faktum gemacht.[11]

Da nun die Darstellung in Herodots Historien als literarische Fiktion anzusehen, die Verbindung mit dem akkadischen Ausdruck qadištu(m) fraglich und die einfache Gleichsetzung von Liebesgottheit und Sexualhandlung falsch ist, bleibt die Frage: Was genau waren dann die Qedeschen?

 

3. Der Begriff קָדֵשׁ im Alten Testament

Die Quellenlage innerhalb der Bibel ist dünn. An gerade einmal zehn Stellen findet eine Form von קָדֵשׁ Erwähnung, nämlich in Genesis 38,21(2x). 22; Deuteronomium 23,18(2x); 1 Könige 14,24; 15,12; 22,47; 2 Könige 23,7 und Hosea 4,14. Der vermeintliche Beleg in Hiob 36,14 ist auszuschließen, da er ein abstractum temporis darstellt (vgl. 3.4). Die Belege werden klassischerweise als „kultisch“ und / oder „sexuell“ gewertet. Im Folgenden soll daher überprüft werden, ob diese Klassifikation zutreffend und der Exegese dienlich ist. Dazu werden die Belege in drei Kategorien untergliedert, wobei die erste „kultisch“ und die zweite „sexuell“ ist. Auf die dritte Kategorie entfallen die Belege, die in beide Richtungen gedeutet werden können.

 

Kategorie 1 (kultisch) Kategorie 2 (sexuell) Kategorie 3 (ambig)

1 Könige 14,24

Genesis 38,21

Deuteronomium 23,18

1 Könige 15,12

Genesis 38,22

Hosea 4,14

1 Könige 22,47

   

2 Könige 23,7

   

 

Prima vista fällt die Verteilung auf: Nur innerhalb des deuteronomistischen Geschichtswerks ist eindeutig von einer kultischen Handlung der Qedeschen die Rede, während die eindeutig sexuelle Konnotation nur in Genesis 38[12] vorhanden ist.

 

3.1 Qedeschen als Götzendiener (1 Könige 14–2 Könige 23)

Im Zusammenhang der Anprangerung der kultischen Nachlässigkeit beziehungsweise des kultischen Fehlverhaltens der Könige Judas, welche sich in 1 Könige 14–22 findet, wird immer wieder Rekurs darauf genommen, dass die בָּמוֹת, die „Kulthöhen“,[13] nicht abgerissen wurden und somit das Volk an einem anderen Ort als dem Tempel in Jerusalem räuchert und opfert (etwa 1 Könige 3,2. 3; 12,31). Als Teilaspekt dieses falschen Kultes wird auf die Qedeschen Bezug genommen, welche zwar mitunter vertrieben (1 Könige 15,12), aber eben nicht restlos ausgerottet werden (1 Könige 22,47).

Besonders interessant für die Frage, was genau Qedeschen machen, ist 2 Könige 23,7. Denn hier findet sich zumindest ein indirekter Hinweis auf ihre Aufgaben. 2 Könige 22–23 berichtet von der Kultreform Josias, die auch eine Reinigung des Tempels von Götzenbildern und deren Kultpersonal einbezieht. Hier findet sich zudem der aufschlussreiche Hinweis 2 Könige 23,7:

וַיִּתֹּץ֙ אֶת־בָּתֵּ֣י הַקְּדֵשִׁ֔ים אֲשֶׁ֖ר בְּבֵ֣ית יְהֹוָ֑ה אֲשֶׁ֣ר הַנָּשִׁ֗ים אֹרְג֥וֹת שָׁ֛ם בָּתִּ֖ים לָאֲשֵׁרָֽה׃

Und er riss die Häuser der Qedeschen nieder, welche im Haus JHWHs waren, wo die Frauen webten, (die) Häuser für Aschera.

Die Deutung dieses Verses ist durch die Syntax erschwert.[14] Folgt man jedoch der hier gebotenen Übersetzung, so ergibt sich, dass es im Tempel oder den umliegenden Gebäuden sogenannte Qedeschen-Häuser (wohl im Sinne von Räumen) gab. In diesen Räumen webten Frauen Kleidung oder Hüllen für die Statue der Aschera, weshalb dieser Ort auch „Häuser für Aschera“ hieß.[15] Die Weberinnen wären somit die Qedeschen, die den Räumen ihren Namen gaben. Die alternative Deutung ist nicht wesentlich anders: In den Qedeschen-Häusern webten Frauen die Kleidung für Aschera. Dann wäre für uns nicht mehr greifbar, wer diese Qedeschen sind. In beiden Fällen ist die ‚kultische‘ Handlung, mit der die Qedeschen hier indirekt assoziiert werden, das Weben. Die einzigen Möglichkeiten, diese Verbindung sexuell zu verstehen, wären, dass die ehemaligen Qedeschenhäuser, wo dereinst die Kultprostitution durchgeführt worden war, nun für Webtätigkeiten benutzt wurden oder aber hinter „weben“ ein ansonsten nicht belegter Euphemismus für den Sexualverkehr steht.[16] Dieser Pratchett’sche Humor[17] scheint jedoch dem Alten Testament gänzlich zu fehlen.

Einen direkten Beleg dafür, was die Qedeschen machen, bietet 1 Könige 14,24. Dort heißt es:

וְגַם־קָדֵ֖שׁ הָיָ֣ה בָאָ֑רֶץ עָשׂ֗וּ כְּכֹל֙ הַתּוֹעֲבֹ֣ת הַגּוֹיִ֔ם אֲשֶׁר֙ הוֹרִ֣ישׁ יְהֹוָ֔ה מִפְּנֵ֖י בְּנֵ֥י יִשְׂרָאֵֽל׃

Und die Qedeschen[18] waren im Land, welche alle Gräuel der Nationen machen, welche JHWH vor den Kindern Israel vertrieben hatte.

Mit den Gräueln ist eine verwerfliche Kultpraxis gemeint, die von den Geboten JHWHs abweicht. Es scheint hier das „Kanaanäertum“ angesprochen zu sein, welches Wolff und andere postulieren.[19] Allerdings ist mit der Übernahme des theologischen Urteils aus 1 Könige 14 vorsichtig zu verfahren. Denn der Vorwurf, die Gräuel der Nationen übernommen zu haben, ist formelhaft und pauschalisierend.[20] Nach Sals ist der Vorwurf des Gräuels sogar „so unspezifisch, daß die Rezipierenden sich das darunter vorstellen können, was ihnen besonders greuelhaft erscheint. Denn wichtig ist allein, daß es pejorativ ist.“[21] Der Plural תּוֹעֲבוֹת „Gräuel“ kommt 63x im Alten Testament vor, häufig verbunden mit Ausdrücken für Götzendienst oder dem Verweis auf fremde Völker.[22] Daher kennzeichnen תּוֹעֲבוֹת „die Handlungen, Sachen, Personen, Einstellungen und Fremdgötter, die JHWH und / oder seinem Volk ihrem Wesen nach widersprechen.“[23]

Die Königebücher machen daher klar, dass der Ausdruck קָדֵשׁ im Kontext von kultischem Fehlverhalten zu werten ist. Hier scheint sich die von der Forschung vertretene Zweiteilung in „kultisch“ und „sexuell“ zu bestätigen. Wie genau sich der falsche Kult (historisch oder nicht) geäußert hat, bleibt in den Texten offen. Jedoch ist auffällig, dass nur innerhalb der kultischen Königsbewertungen in 1–2 Könige von den Qedeschen die Rede ist, und hier auch nur in Bezug auf das Südreich. Das Königreich Israel wird pauschal mit der „Sünde Jerobeams“[24] gebrandmarkt,[25] während Juda der Kult an den Kulthöhen und mitunter die Qedeschen vorgehalten werden.

Die Juda-spezifische Anklage ist auch ein Punkt, auf den Wacker gesondert verweist: „Als kultisch unerwünscht wären sie schnell und nachhaltig abgeschafft worden. Ob es sich um Kultpersonal oder gar um Kultrequisiten handelt, wird nicht klar ersichtlich, und erst recht findet sich kein Hinweis auf kultische Sexualität.“[26] Allerdings ist mit den Qedeschen höchstwahrscheinlich das Personal gemeint und kein Kultbild. Auch wenn 2 Könige 23,7 in diese Richtung deutbar ist, stehen dem einige Punkte entgegen. So spricht 1 Könige 14,24 explizit davon, dass die Qedeschen das Gräuel ausüben – was einen Grad an Personifikation eines Kultbildes implizierte, welcher dem Alten Testament ansonsten fremd ist. Hinzu kommt, dass 1 Könige 15,12 davon spricht, dass die Qedeschen vertrieben werden und damit abermals Menschen im Blick hat und keine Kultgegenstände.

Das Urteil Walshs zur „theological evaluation“ in 1 Könige 14,22–24 fasst die Problematik sehr gut zusammen:

„Judah also engages in rites that were blatantly part of the Canaanite cult. It is common opinion that these rites involved sexual intercourse with sanctuary personnel, both female and male (perhaps eunuchs) [… .] In recent years, however, this view has come under challenge. All we can say for sure is that the qādēš and qĕdēšâ were cultic personnel who did not belong to the worship practices of Yahwism and whom Yahwistic orthodoxy found particularly abhorrent.“[27]

 

3.2 Qedeschen als Prostituierte (Genesis 38,21–22)

In der Episode um die durch den Schwiegervater Juda verwehrte Leviratsehe der Tamar in Genesis 38 finden sich die einzigen klar sexuellen Verwendungen des Ausdrucks קָדֵשׁ. Sie wird daher immer wieder zur Begründung des sexuell-verruchten Charakters der Qedeschen – oder zumindest eines solchen Vorwurfs – herangezogen. Der Text legt dies jedoch nicht nahe. In den Versen 21 und 22 wird dreimal der feminine Singular benutzt, um die vermeintliche Prostituierte zu bezeichnen, als welche sich Tamar in ihrer List ausgegeben hatte. Den für die Deutung wichtigen Kontext bieten die Verse 15-22:

וַיִּרְאֶ֣הָ יְהוּדָ֔ה וַֽיַּחְשְׁבֶ֖הָ לְזֹונָ֑ה כִּ֥י כִסְּתָ֖ה פָּנֶֽיהָ וַיֵּ֨ט אֵלֶ֜יהָ אֶל־הַדֶּ֗רֶךְ וַיֹּ֨אמֶר֙ הָֽבָה־נָּא֙ אָבֹ֣וא אֵלַ֔יִךְ כִּ֚י לֹ֣א יָדַ֔ע כִּ֥י כַלָּתֹ֖ו הִ֑וא וַתֹּ֨אמֶר֙ מַה־תִּתֶּן־לִּ֔י כִּ֥י תָבֹ֖וא אֵלָֽי׃ וַיֹּ֕אמֶר אָנֹכִ֛י אֲשַׁלַּ֥ח גְּדִֽי־עִזִּ֖ים מִן־הַצֹּ֑אן וַתֹּ֕אמֶר אִם־תִּתֵּ֥ן עֵרָבֹ֖ון עַ֥ד שָׁלְחֶֽךָ׃ וַיֹּ֗אמֶר מָ֣ה הָֽעֵרָבֹון֮ אֲשֶׁ֣ר אֶתֶּן־לָּךְ֒ וַתֹּ֗אמֶר חֹתָֽמְךָ֙ וּפְתִילֶ֔ךָ וּמַטְּךָ֖ אֲשֶׁ֣ר בְּיָדֶ֑ךָ וַיִּתֶּן־לָּ֛הּ וַיָּבֹ֥א אֵלֶ֖יהָ וַתַּ֥הַר לֹֽו׃ וַתָּ֣קָם וַתֵּ֔לֶךְ וַתָּ֥סַר צְעִיפָ֖הּ מֵעָלֶ֑יהָ וַתִּלְבַּ֖שׁ בִּגְדֵ֥י אַלְמְנוּתָֽהּ׃ וַיִּשְׁלַ֨ח יְהוּדָ֜ה אֶת־גְּדִ֣י הָֽעִזִּ֗ים בְּיַד֙ רֵעֵ֣הוּ הָֽעֲדֻלָּמִ֔י לָקַ֥חַת הָעֵרָבֹ֖ון מִיַּ֣ד הָאִשָּׁ֑ה וְלֹ֖א מְצָאָֽהּ׃ וַיִּשְׁאַ֞ל אֶת־אַנְשֵׁ֤י מְקֹמָהּ֙ לֵאמֹ֔ר אַיֵּ֧ה הַקְּדֵשָׁ֛ה הִ֥וא בָעֵינַ֖יִם עַל־הַדָּ֑רֶךְ וַיֹּ֣אמְר֔וּ לֹא־הָיְתָ֥ה בָזֶ֖ה קְדֵשָֽׁה׃ וַיָּ֨שָׁב֙ אֶל־יְהוּדָ֔ה וַיֹּ֖אמֶר לֹ֣א מְצָאתִ֑יהָ וְגַ֨ם אַנְשֵׁ֤י הַמָּקֹום֙ אָֽמְר֔וּ לֹא־הָיְתָ֥ה בָזֶ֖ה קְדֵשָֽׁה׃

Da sah sie Juda und hielt sie für eine Hure. Denn sie hatte ihr Gesicht verdeckt. Er bog zu ihr auf den Weg ab und sagte: „Erlaube doch, (dass) ich zu dir eingehe!“ Denn er wusste nicht, dass sie seine Schwiegertochter war. Und sie sagte: „Was gibst du mir, dass du zu mir eingehst?“[28] Und er sagte: „Ich werde dir ein Ziegenböckchen vom Kleinvieh schicken.“ Und sie sagte: „(In Ordnung), wenn du mir ein Pfand gibst, bis dass du (es) schickst.“ Und er sagte: „Was ist das Pfand, welchen ich dir geben soll? Und sie sagte: „Dein Siegel, deine Schnüre[29] und deinen Stab, welcher in deiner Hand ist.“ Da gab er (es) ihr, ging zu ihr ein und sie wurde schwanger.

Da stand sie auf, ging (nach Hause), legte ihren Schleier ab und zog sich ihre Witwenkleider an. Da sandte Juda das Ziegenböckchen durch seinen adullamitischen Freund, um das Pfand von der Frau zu nehmen. Aber er fand sie nicht. Da fragte er die Menschen ihres Ortes:[30] „Wo ist die Qedescha, die in Enayim am Weg (sitzt)?“ Und sie sagten: „Es gibt hier keine Qedescha.“ Da kehrte er zu Juda zurück und sagte: „Ich habe sie nicht gefunden. Und außerdem sagen die Leute des Ortes: ‚Es gibt hier keine Qedescha.‘“

Die Verse zerfallen in zwei Abschnitte: In den Versen 15–18 wird die List Tamars beschrieben, durch welche sie sich den Nachkommen sichert. Hierbei gibt sie sich als Prostituierte aus, um Juda zum Sexualverkehr zu locken, da er ihr den jüngsten Sohn zur Leviratsehe zwar versprochen hatte, diese Ehe aber nicht schließt. Das Zentrum der Erzählung bildet somit „Tamar’s free act. Removing one persona, the widowed daughter in the father’s house, as she doffs the garment that indicates that status, she puts on an ambiguous garment […] that reflects her ambiguous situation (A widow? A wife in waiting? A prostitute? A priestess? A sort of woman hitherto unseen?)“.[31]

Im zweiten Teil, den Versen 19–22, wird beschrieben, wie sich Tamar, Juda und dessen Freund unmittelbar anschließend verhalten. Tamar legt ihre Verkleidung ab, Juda sendet der vermeintlichen Prostituierten den Lohn und der Freund macht sich auf die Suche nach ihr. Hira muss jedoch mit dem Lohn zurückkehren und berichten, dass die Qedesche nicht aufzufinden war. Juda gibt daraufhin sein Pfand, das immerhin aus seinen persönlichsten Gegenständen bestand, verloren.

Interessant für die vorliegende Untersuchung ist nun, dass der Adullamiter nicht den Ausdruck זנ"ה (vgl. Genesis 38,15. 24) bzw. זְנוּנִים (Genesis 38,24) benutzt, sondern von קְדֵשָׁה spricht. Somit scheint der Text zunächst die Gleichsetzung von Qedesche und „Hure“ nahezulegen.[32] Genesis 38 ist der einzige Text, der diese Synonymität aufzuweisen scheint.[33] Jedoch ist hier Vorsicht geboten. Weshalb Hira die Vokabel קְדֵשָׁה benutzt, ist nämlich nicht klar. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Umstand zu deuten (weitere Interpretationen wären ebenfalls denkbar):

  1. Es handelt sich um einen (adullamitischen?) dialektalen Ausdruck, der synonym zu זוֹנָה zu setzen ist.
  2. Hira benutzt einen Euphemismus, um eine delikate Angelegenheit nicht offen auszusprechen.[34]
  3. Hira benutzt ein Pejorativum,[35] etwa weil er die Tat Judas verurteilen möchte.
  4. Die Autoren des Textes sind sich einer sexuellen Konnotation des Ausdrucks קָדֵשׁ bewusst und verstehen ihn als eine archaische Form für Prostituierte, weshalb es als zeitliches Kolorit des Textes in der wörtlichen Rede benutzt wird.

Angesicht der These, welche hier anstelle eines Resümees geboten werden soll, erscheint dem Verfasser die dritte Deutung naheliegender zu sein, auch wenn der Gebrauch als Schimpfwort zunächst befremdlich erscheint. Jedoch ergibt er narrativ sehr wohl Sinn, wenn man die „Reise des Helden“[36] in der Figur des Juda bedenkt, welche in der Fußnote zu Vers 21 bereits angesprochen wurde.

Bei dieser Deutung ist grundlegend, dass Genesis 37–50 als eine zwar literarisch gewachsene, aber einheitliche Erzählung angesehen wird. Anders als in anderen Kommentaren soll hier nicht von „Josefsnovelle“ gesprochen werden, aus der dann die Judaerzählung in Genesis 38 als Fremdkörper herausgeschnitten wird, sondern von der Erzählung „der vierten Generation“, in welcher sich Juda und Josef auf ihre jeweiligen Reisen begeben und am Ende geläutert und verändert wieder zusammen treffen; Josef wird der Hochmut, Juda die Selbstsucht ‚ausgetrieben‘.[37] Mit diesem hermeneutischen Schlüssel erscheint der Gebrauch des Ausdrucks קְדֵשָׁה in Genesis 38,21f in einem neuen Licht: Hira verurteilt das schlechte Verhalten Judas nun durch diese Vokabel und leitet die Leserinnen und Leser somit in ihrer Urteilsbildung subtil an. Letztlich bleibt aber jede Entscheidung, weshalb diese Vokabel und keine andere benutzt wurde, spekulativ. Die innerbiblischen Parallelen unterscheiden sich zu sehr von Genesis 38, als dass sie hier Klärung erbringen könnten.

Wie bereits Speiser feststellte, ist mit קְדֵשָׁה nicht das Gleiche wie mit זוֹנָה gemeint. Vielmehr gab es im Alten Orient „various classes of temple women other than priestesses, who were employed for services connected with the cult.“[38] Was Genesis 38 deutlich macht ist aber, dass bei einer sexuellen Deutung des Ausdrucks קְדֵשָׁה keinerlei kultische Konnotation vorhanden ist. Weder Juda noch Tamar agieren hier innerhalb des Kultus. Letztere versucht ihren Rechtsanspruch durchzusetzen, der sie vor Armut und Altersunsicherheit bewahren soll, während ersterer nach dem Tod seiner Frau und der anschließenden Trauerphase (Genesis 38,12) die Gelegenheit einer zufälligerweise angetroffenen Prostituierten nutzen möchte, um Sexualverkehr zu haben.

Narrativ ist vor allem die Ironie des Ausdrucks „Heilige“ zu sehen: Während Hira mit dem Wort קְדֵשָׁה nach einer Prostituierten fragt, spiegelt der Ausdruck bereits Tamars ‚Gerechtigkeit‘ wider, welche ihr Juda wenig später (Genesis 38,26) attestieren muss. Während Juda sich einer sozial geächteten Selbstsucht hingibt, indem er seiner Schwiegertochter ihren Rechtsanspruch verwehrt,[39] und welche letztlich den Fortbestand seiner Familie gefährdet, begibt sich Tamar zwar außerhalb der zu erwartenden Rollenbilder,[40] achtet dabei aber auf die gesellschaftlichen Regeln. Erst nachdem Juda verwitwet und die Trauerphase vergangen ist (Genesis 38,12), versucht Tamar ihren Rechtsanspruch mittels einer List durchzusetzen.[41] Sie ergibt sich nicht der Ohnmachtssituation, in die sie ihr Schwiegervater verdammen wollte, sondern bringt ihn dazu, die Leviratsehe selbst zu vollziehen. Es bleibt bei dem einmaligen sexuellen Kontakt (Genesis 38,26), so dass ihr auch keine „Hurerei“ vorgeworfen werden kann. Tamar ist gerechter als Juda, wie dieser selbst im gleichen Vers eingestehen muss:

צָדְק֣ה מִמֶּנִּי כִּי־עַל־כֵּן לֹא־נְתַתִּיהָ לְשֵׁלָה בְנִי

Sie ist gerechter als ich,[42] aufgrund der Tatsache, dass ich sie nicht meinem Sohn Schela [zur Frau] gab.

 

3.3 Uneindeutige Stellen (Deuteronomium 23,18; Hosea 4,14)

Der Großteil der Belegstellen scheint somit klar kultisch, aber nicht sexuell, während ein kleiner Teil klar sexuell, aber nicht kultisch gedeutet werden kann. Es verbleiben aber noch die Stellen Deuteronomium 23,18 und Hosea 4,14. In beiden Fällen ist sowohl eine kultische als auch eine sexuelle Deutung vorgeschlagen oder beides zusammen gesehen worden.

In Deuteronomium 23 findet sich eine Reihe an Gesetzen, welche sich verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zuwenden. Während Vers 1 thematisch noch zu den Sexualgesetzen des vorangehenden Kapitels zu rechnen ist, finden sich in den Versen 2–9 die Bestimmungen dazu, wer in den ansonsten nicht bezeugten קְהַל יְהוָה, „die Gemeinde JHWHs“, hinein darf. Anschließend wird in den Versen 10–15 die Reinheit des Lagers geregelt, etwa indem außerhalb des Lagers ein „Toilettenbereich“ eingerichtet wird (Verse 13–14). Die Verse 16–17 bestimmen, dass ein entlaufender Sklave nicht seinem Herrn ausgeliefert werden darf.

Die folgenden Bestimmungen in den Versen 18 und 19 sind hier relevant: ein absolutes Qedeschen-Verbot (Vers 18) und das Verbot, unlauteres Geld dem Tempelschatz zu übergeben. Anschließend finden sich noch die Bestimmungen zum Zinsverleih (Verse 20–21), zur Bezahlung von Gelübden (Verse 22–24) und zum Pflücken von Feldfrüchten auf fremdem Land (Verse 25–26).

Die entscheidenden Sätze sind somit Deuteronomium 23,18–19:

לֹא־תִהְיֶ֥ה קְדֵשָׁ֖ה מִבְּנֹ֣ות יִשְׂרָאֵ֑ל וְלֹֽא־יִהְיֶ֥ה קָדֵ֖שׁ מִבְּנֵ֥י יִשְׂרָאֵל׃ לֹא־תָבִיא֩ אֶתְנַ֨ן זֹונָ֜ה וּמְחִ֣יר כֶּ֗לֶב בֵּ֛ית יְהוָ֥ה אֱלֹהֶ֖יךָ לְכָל־נֶ֑דֶר כִּ֧י תֹועֲבַ֛ת יְהוָ֥ה אֱלֹהֶ֖יךָ גַּם־שְׁנֵיהֶֽם׃

Es darf keine Qedescha von den Israelitinnen geben, noch einen Qadesch von den Israeliten. Du[43] darfst keinen Lohn einer Hure noch (den) Verkaufspreis eines Hundes in das Haus JHWHs, deines Gottes, bringen für irgendein Gelübde, denn auch die beiden (Dinge) sind das Gräuel JHWHs, deines Gottes.

Die grundlegende Frage, die hier zu beantworten ist, ist die des Zusammenhangs. Bezieht sich Vers 19 auf Vers 18 zurück oder bilden beide unterschiedliche Rechtssätze ab, die nicht aufeinander bezogen werden dürfen? Vers 18 ist in seiner Aussage eindeutig: Kein Israelit, egal ob männlich oder weiblich, darf als Qadesch tätig sein. Es ist durchaus möglich, den Satz so zu deuten, dass Qedeschen an sich nicht verboten werden, solange es sich nicht um Israeliten und Israelitinnen handelt, etwa wie es mit Levitikus 25,39–46 auch alttestamentliche Gesetze gibt, die Sklaverei nur dann verbieten, wenn der Sklave Israelit ist. „Die innerjüdische Sklaverei ist zumindest dem Namen nach abgeschafft. Dafür ist es Juden erlaubt, Sklaven von fremden Völkern zu erwerben (Lev 25,44-46).“[44]

Ob das Verbot absolut oder nur für Israelitinnen und Israeliten gelten soll, ist zwar nicht eindeutig, die grundlegende Aussage des Verses ist jedoch klar.

Schwieriger zu deuten ist der nachfolgende Vers. Sind זוֹנָה „Hure“ und כֶּלֶב „Hund“ synonym zu verstehen bzw. sind sie synonym zu קְדֵשָׁה und קָדֵשׁ zu werten? Die Wendung גַּם־שְׁנֵיהֶם „auch diese beiden“ scheint doch einen Unterschied zu Vers 18 zu markieren. Die assoziative Verbindung beider Verse erfolgt über das Stichwort תּוֹעֵבָה „Gräuel“. Denn die Qedeschen werden verboten, da diese Tätigkeit ein „Gräuel“ ist, genau wie das Einbringen von unreinem Geld,[45] entweder als Verdienst durch anrüchige Arbeit („Hurenlohn“) oder durch den Verkauf unreiner Dinge („Verkaufspreis von Hunden“),[46] ein Gräuel darstellt.

Auch wenn eine Verbindung zwischen den Versen besteht, so ist sie nicht als Synonymität misszuverstehen. Eine Übersetzung von Hund an dieser Stelle als „(kultische[r]) Päderast“, wie sie in gängigen Wörterbüchern vorgeschlagen wird,[47] birgt daher die Gefahr der Kreisargumentation: Weil die Qedeschen sexuell zu deuten sind und parallel zu „Hure“ und „Hund“ stehen, muss „Hund“ hier sexuell zu verstehen sein. Und da „Hund“ sexuell ist, sind „Hure“ und „Hund“ parallel zu den Qedeschen im Vers davor zu sehen und diese wiederum sexuell zu deuten. Hinzu kommt das Problem, dass eine kultische Päderastie gänzlich unbelegt ist und nur aufgrund einer gewagten Eisegese postuliert wird. Die „Deutung des ‚Hundes‘ in v[ers] 19 auf einen sich prostituierenden Mann [wird] durch keinen Vergleichstext innerhalb der Bibel oder aus ihrer Umwelt bestätigt“.[48]

Ein weiterer methodologischer Einwand stammt von Bird. Sie hält fest, „an unknown term, קדשׁ […], has been invoked to ‚explain‘ a well-known term, כלב, imputing an otherwise unattested meaning“.[49] Um „Hund“ wirklich als Ausdruck für einen Mann zu sehen, der in irgendeiner Form verwerflich sexuell handelt, müssten mehr Texte oder Darstellungen aus der Umwelt beigebracht werden können. So handelt es sich nur um eine Assoziation, die an den Vers herangetragen wird und zudem spekulativ und unplausibel ist.

Es verbleibt noch Hosea 4,12–15 als möglicher Beleg für eine sexuelle und kultische Konnotation des Begriffs.

Der Text lautet:

עַמִּי֙ בְּעֵצֹ֣ו יִשְׁאָ֔ל וּמַקְלֹ֖ו יַגִּ֣יד לֹ֑ו כִּ֣י ר֤וּחַ זְנוּנִים֙ הִתְעָ֔ה וַיִּזְנ֖וּ מִתַּ֥חַת אֱלֹהֵיהֶֽם׃ עַל־רָאשֵׁ֨י הֶהָרִ֜ים יְזַבֵּ֗חוּ וְעַל־הַגְּבָעֹות֙ יְקַטֵּ֔רוּ תַּ֣חַת אַלֹּ֧ון וְלִבְנֶ֛ה וְאֵלָ֖ה כִּ֣י טֹ֣וב צִלָּ֑הּ עַל־כֵּ֗ן תִּזְנֶ֨ינָה֙ בְּנֹ֣ותֵיכֶ֔ם וְכַלֹּותֵיכֶ֖ם תְּנָאַֽפְנָה׃ לֹֽא־אֶפְקֹ֨וד עַל־בְּנֹותֵיכֶ֜ם כִּ֣י תִזְנֶ֗ינָה וְעַל־כַּלֹּֽותֵיכֶם֙ כִּ֣י תְנָאַ֔פְנָה כִּי־הֵם֙ עִם־הַזֹּנֹ֣ות יְפָרֵ֔דוּ וְעִם־הַקְּדֵשֹׁ֖ות יְזַבֵּ֑חוּ וְעָ֥ם לֹֽא־יָבִ֖ין יִלָּבֵֽט׃ אִם־זֹנֶ֤ה אַתָּה֙ יִשְׂרָאֵ֔ל אַל־יֶאְשַׁ֖ם יְהוּדָ֑ה וְאַל־תָּבֹ֣אוּ הַגִּלְגָּ֗ל וְאַֽל־תַּעֲלוּ֙ בֵּ֣ית אָ֔וֶן וְאַל־תִּשָּׁבְע֖וּ חַי־יְהוָֽה׃

[Was] mein Volk [anbelangt]: sein Holz befragt es und sein Stab berichtet ihm, denn ein Hurereigeist leitet (es) irre. Und sie huren hinter ihrem Gott weg.

Auf den Gipfeln der Berge opfern sie und auf den Hügeln räuchern sie, unter Eiche, Storax und Terebinthe, weil ihr[50] Schatten gut ist, darum huren eure Töchter und ehebrechen eure Schwiegertöchter.

Ich werde nicht heimsuchen an euren Töchtern, dass sie huren, und an euren Schwiegertöchtern, dass sie ehebrechen, denn sie [i.e. ihre Männer][51] selbst sondern sich mit Huren ab und opfern mit den Qedeschen. Und ein Volk, welches nicht begreift, wird zu Fall kommen.

Wenn du hurst, Israel, darf Juda nicht schuldig sei. Und kommt nicht nach Gilgal hinauf, noch steigt nach Bet Awen hinauf, noch schwört: „So wahr JHWH lebt!“

Der hier gebotene Abschnitt bildet den Abschluss einer Gerichtspredigt, in der das bei Hosea gerne benutzte Bild der „Hure“ aufgegriffen wird. Der Rekurs auf die Wurzel זנ"ה wird im Parallelismus mit der Wurzel נא"ף verstärkt.[52]Die sexuelle Konnotation des ersten Versteils ist daher deutlich, zumindest bis zur zweiten Zaqef-Einheit. Inwiefern dies für die Deutung von קְדֵשׁוֹת relevant ist, ist nun die große Frage. Die Qedeschen können entweder als Kultpersonal gedeutet werden – „but if this is the case, we know nothing of the cultic role represented by these women“[53] – oder aber als ein (teil)synonymer Ausdruck zu זוֹנָה, welcher sich auf Prostituierte bezieht.

Wie in anderen metaphorischen Reden dieser Art springt der Text zwischen Bild- und Deuteebene hin- und her, weshalb eine Scheidung der beiden schwierig ist. Sie muss aber unbedingt erfolgen, will man nicht eine Metapher als Beschreibung realer Umstände missverstehen.[54] Die Interpretation von Qedeschen wird an dieser Stelle erschwert, da sie am Übergang von der Bild- zur Deuterede steht.[55] Eingeleitet durch die Konjunktion כִּי wird das Urteil JHWHs begründet.[56] Während Vers 15 bereits rein auf der Deuteebene ist und den falschen Kult in Gilgal und Bet Awen verbietet (jeweils durch Vetitive ausgedrückt), liegt in Vers 14 der Bruch des Bildes mitten in der Erklärung. Das Absondern mit den „Huren“ in der zweiten Zaqef-Einheit führt die Metapher des Ehebruchs und zweifelhafter Sexualverhalten fort, während das Opfern (זב"ח) bereits die realen Umstände beschreibt, welche angeprangert werden. Durch diese Fugenstellung schillert der Ausdruck קְדֵשׁוֹת zwischen kultisch und sexuell, ohne jedoch beide Aspekte zu vermischen.

 

3.4 Der Sonderfall (Hiob 36,14)[57]

Mit Hiob 36,14 scheint es zunächst einen weiteren Beleg für das Wort קָדֵשׁ zu geben. Jedoch muss diese Stelle gesondert betrachtet werden. Nach Zeugnis des masoretischen Texts heißt es in den Versen 13–14:

וְֽחַנְפֵי־לֵ֭ב יָשִׂ֣ימוּ אָ֑ף לֹ֥א יְ֝שַׁוְּע֗וּ כִּ֣י אֲסָרָֽם׃ תָּמֹ֣ת בַּנֹּ֣עַר נַפְשָׁ֑ם וְ֝חַיָּתָ֗ם בַּקְּדֵשִֽׁים׃

Aber die Gottlosgesinnten werden Zorn aufstellen; sie werden nicht um Hilfe rufen, wenn er sie bindet. Es soll in der Jugend ihr Wesen sterben und ihr Leben in der ‚Heiligen Zeit‘.

Die grobe Gesamtbedeutung des Verses dürfte mit „Frevler sterben früh“ umrissen sein. Probleme bereitet nun aber die Interpretation von קְדֵשִׁים. Die antiken Zeugen sind sich darin uneins, was das Wort bedeuten soll. Die Vulgata greift das für sie typische effeminatus auf.[58] Auch der Targum Hiob sieht hier einen Verweis auf frevlerische Sexualhandlungen, weshalb er den zweiten Versteil mit וְחַיַתְהוֹן הֵיךְ מָרֵי זָנוּ „und ihr Leben [wird] wie der Herr der Hurerei [werden]“ übersetzt. Die Septuaginta hingegen liest in ihrem Äquivalent zur Silluq-Einheit des masoretischen Texts: ἡ δὲ ζωὴ αὐτῶν τιτρωσκομένη ὑπὸ ἀγγέλων „ihr Leben aber wird von Engeln geschlagen werden“, was wohl als „wird von Engeln umgebracht werden“ zu deuten ist. Unklar ist, wie die Peschitta auf die Lesung ܘܢܚܝܗܘܢ ܒܟܦܢܐ „und ihr Leben [stirbt] durch Hunger“ kommt.

Eine genaue syntaktische Analyse des hebräischen Verses ergibt folgende Überlegung: Der Jussiv תָּמֹת regiert in double duty beide Versteile. Diese stehen in chiastischer Verschränkung zueinander und legen einen ähnlichen bis gleichen Gedankengang für beide Stichen nahe. Da das Subjekt beider Kola die gleiche Größe bezeichnet, kann ein antithetischer Parallelismus logisch ausgeschlossen werden. Die Quasisynonyme נֶפֶשׁ und חַיָּה sind jeweils das Subjekt des Satzes und mit dem Possessivpronomen 3. maskulin plural an das logische Subjekt der Gottlosgesinnten beziehungsweise Frevler aus den Versen davor gebunden. Der Ausdruck בַּנֹּעַר ist als eine Verbindung von בְּ temporis mit dem Abstraktnomen „Jugend“ zu verstehen, der den vorzeitigen Tod der Frevler unterstreichen soll. Nach der Logik des synonymen Parallelismus müsste nun das verbleibende בַּקְּדֵשִׁים ebenfalls eine Modalität des frühzeitigen Niedergangs der Gottlosen ausdrücken. Ob קְדֵשִׁים daher hier als ein Abstraktnomen im maskulin plural zu verstehen ist? Die Deutung als Kultfunktionäre oder Prostituierte ist auf jeden Fall schwierig, da nichts in Hiob 36 auf einen solchen Zusammenhang hinweist.

Was genau die „heilige Zeit“ bezeichnet, bleibt jedoch unklar. Die Parallelität zu נֹעַר könnte eine Interpretation als nomen temporis unterstützen. Da die Aussage von Hiob 36,13–14 unterlaufen würde, handelte es sich um einen späten Zeitpunkt, ist wohl hier an einen frühen Abschnitt im Leben eines Individuums zu denken. Möglich wäre aber auch die Deutung, dass selbst eine „Heiligzeit“, etwa ein Fest,[59] nicht vor dem Untergang bewahren kann. Die möglichen Deutungen sind spekulativ. Sollte die Interpretation von קְדֵשִׁים als Abstraktnomen zutreffend sein, handelt es sich hier um ein Hapax legomenon, das einer eingehenderen Untersuchung bedarf.

 

4. Qedeschen – eine These

Wie die kurze Darstellung zeigen konnte, ist die klassische Einteilung der Belege in „sexuell“ und „kultisch“ nicht hilfreich zum Verständnis der Rolle von Qedeschen. Ebenso ist die gesonderte Deutung von קְדֵשָׁה und קָדֵשׁ irreführend. Zwar haben etwa Stark und Riegner auf einen unterschiedlichen Gebrauch der beiden Ausdrücke verwiesen,[60] und auch Wacker hält fest, dass „Frauen […] als boundary marker zwischen der eigenen und der abgelehnten anderen Kultur“ fungieren.[61] Diese Argumentationen scheinen aber die wenigen Belege überzubetonen und künstlich voneinander zu trennen.

Es stimmt natürlich, „dass im maskulinen Plural [קְדֵשִׁים] die Frauen mitgemeint sind“.[62] Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Männer und Frauen als Qedeschen genannt werden und ein solcher gegenderter Unterschied aus den wenigen Belegen nicht abgeleitet werden kann. Gegen Wacker ist etwa festzustellen, dass ja gerade auch die männlichen Qedeschen als abzulehnende Relikte der kanaanäischen Kultur anzusehen sind, wie 1 Könige 14,24 eindrücklich zeigt. Sie wären daher nicht weniger boundary marker als die weiblichen Qedeschen. Damit sei die Beobachtung Wackers nicht allgemein verneint, sie trifft aber für die Rolle der Qedeschen im Speziellen nicht zu.

Dass die altisraelitische Gesellschaft von großen Nachteilen für Frauen und einer patriarchalen Ordnung im engsten Wortsinn geprägt war, lässt sich nicht abstreiten. Dies zeigt sich an vielen Texten des Alten Testaments selbst. Ein Beispiel ist das Erbrecht, das für Frauen gesondert festgestellt werden muss und auch nur dann greift, wenn kein Mann als Erbe aufgefunden werden kann (Numeri 27,1–11).[63] Jedoch ist die Grundannahme, dass Frauen daher nur anrüchige Berufe, etwa den der Prostituierten, ausüben durften und eben nicht als ‚echtes‘ Kultpersonal arbeiten konnten, meines Erachtens ein Vorurteil, welches den Texten nicht gerecht wird.

Gerade wenn man alle Qedeschen-Stellen zusammen betrachtet, lässt sich eine solche Aufteilung zwischen den Geschlechtern nicht rechtfertigen. Die Texte wechseln dermaßen mühelos zwischen Singular und Plural, zwischen Femininum und Maskulinum, dass der Schluss, dass es beides in gleichem Ausmaß und in gleicher Stellung gab, nicht zu gewagt erscheint. Nebenbei bemerkt verweist etwa Deuteronomium 23,18 darauf, dass sowohl Männer als auch Frauen als „Geheiligte“ arbeiteten, was jedoch nicht der Angriffspunkt für die deuteronomistische Tradition wurde. Es geht um diese Klasse an Kultpersonen insgesamt, nicht um einen Ausschluss von Frauen aus dem Kult. Hinzu kommt, dass der Verweis auf mesopotamische Texte methodologisch fraglich ist, da die Termini קָדֵשׁ und קְדֵשָׁה viel zu allgemein und selbstverständlich sind, als dass eine direkte oder indirekte Abhängigkeit postuliert werden könnte.

Anstelle eines Resümees soll hier daher eine neue These geboten werden, welche auf Indizien in den Texten beruht und durch allgemeine Beobachtungen gestützt wird. Sie ist leider aufgrund der schlechten Quellenlage nicht ausreichend verifizierbar, um über den Status einer Arbeitshypothese hinaus zu reichen. Sie bietet jedoch den Vorteil, dass sie durch Analogieschluss plausibilisiert werden kann und das scheinbare Wirrwarr aus sexuellen und kultischen Konnotationen besser zu erklären vermag, als bisher in der Forschung geschehen.

Betrachtet man die Etymologie des Wortes קָדֵשׁ, so lässt sich morphologisch zunächst festhalten, dass es sich um eine qaṭil-Bildung, also ein Adjektiv, der Wurzel קד"שׁ „heilig sein“ handelt. Da sowohl die qaṭil-Bildung als auch die gemeinsemitische Wurzel im Hebräischen sehr weit verbreitet sind, scheint eine Ableitung aus dem Akkadischen qadištu(m) nicht notwendig. Die grundlegende Semantik der Wurzel קד"שׁ „heilig sein“ in einer Adjektivbildung erklärt bereits ausreichend die Parallelen zum Akkadischen qadištu(m), die eher als konvergente Bildungen der beiden Sprachen anzusehen sind, denn als Lehnwort der einen aus der anderen.

Mit der innersprachlichen Rekonstruktion von קָדֵשׁ als „zum Heiligen gehörige“ oder „geheiligte Person“ lässt sich als ursprünglicher Bezugspunkt eine Rolle innerhalb des Kultes veranschlagen. Dieser findet sich breit in den Belegen, wenn etwa die entsprechenden Stellen in den Königebüchern von Kultspezialisten sprechen. Ob es sich hierbei um einen Sammelbegriff für Menschen, die im Kult tätig sind, gehandelt hat, oder von Anfang an um spezifische Rollen, etwa „Priester“ oder „Priesterhelfer“,[64] lässt sich nicht mehr feststellen. Es ist wahrscheinlich, dass der Begriff eher allgemein für Kultspezialisten gebraucht wurde und über die Zeiten und Räume hinweg verschiedene spezifische Ausformungen erlebte. Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck qadištu(m) im Akkadischen. Dieser ist „a generic term, just as ‚priest‘ is in English, but even less specific with regard to role and functions. It simply designates one who has been dedicated to a deity and thus may describe women with quite different roles and functions in different times and places.“[65]

In einem weiteren Schritt, der sich in Spuren im Alten Testament wiederfindet, wurde der Begriff, da er innerhalb der prophetischen Kultkritik, bei Hosea noch greifbar, angeprangert und besonders vom deuteronomistischen Geschichtswerk ‚verteufelt‘ wurde (1 Könige 14–2 Könige 23), zu einem Schimpfwort. Interessanterweise wurde קָדֵשׁ in diesem Prozess der Pejorisierung seines ursprünglich semantischen Kerns entleert,[66] nahm aber die Aspekte der Hurenmetapher der prophetischen Rede auf.[67] So verschob sich das Wort von „Kultperson“ zu „liederliche Person“ und konnte so letztlich synonym zu זוֹנָה „Hure“ gebraucht werden.

Folgt man dieser Rekonstruktion, so wirft dies ein völlig neues Licht auf Genesis 38. Wenn sich die sexuelle Konnotation erst im Zuge der Benutzung als Schimpfwort etablieren konnte, so scheint der adullamitische Freund Juda hier aufs Schärfste zu kritisieren.

Somit ergibt sich eine Evolution des Begriffes קָדֵשׁ von „Kultperson“ zu „Teilnehmer am falschen Kult“ zu „liederliche Person“. Während die kultischen Texte klar von jemandem sprechen, der auf irgendeine Weise den Kult falsch durchführt,[68] so ist das Wort in Genesis 38 soweit semantisch ‚entleert‘, dass nur eine sekundäre sexuelle Konnotation erhalten bleibt.

 

5. Anhang: קָדֵשׁ und קְדֵשָׁה in deutschen Bibelübersetzungen

Vergleicht man gängige deutsche Bibelübersetzungen – als Stichprobe wurden hier die revidierte Lutherbibel von 2017 (L17), die Einheitsübersetzung (EÜ), die Elberfelder (ELB), die Menge-Übersetzung (Meng) und die Zürcher Übersetzung (Zür) gewählt[69]

so ergibt sich folgendes Bild:

 

 

L17

ELb

Meng

Zür

Genesis 38,21

Tempelhure

Dirne

Geweihte

Geweihte Buhlerin

Geweihte

Genesis 38,21

Tempelhure

Dirne

Geweihte

Buhlerin

Geweihte

Genesis 38,22

Tempelhure

Dirne

Geweihte

Buhlerin

Geweihte

Deuteronomium 23,18

Tempeldirne

Geheiligte

Geweihte

Geweihte Dirne

Geweihte

Deuteronomium 23,18

Tempelhurer

Geheiligter

Geweihter

Zur Unzucht bestimmter Buhler

Geweihter

1 Könige 14,24

Tempelhurer

Götzengeweihte

Tempelhurer

Heiligtumsbuhler

Geweihte

1 Könige 15,12

Tempelhurer

Hierodule

Tempelhurer

Heiligtumsbuhler

Geweihte

1 Könige 22,47

Tempelhurer

Hierodule

Tempelhurer

Heiligtumsbuhler

Geweihte

2 Könige 23,7

Tempelhurer

Geheiligte

Tempelhurer

Heiligtumsbuhler

Geweihte

Hosea 4,14

Tempeldirnen

Geweihte Frauen

Tempeldirnen

Heiligtumsbuhlerinnen

Geweihte Frauen

 

Fast alle herangezogenen Bibelübersetzungen gehen von der Kultprostitution als Fakt aus und übersetzen die Belege entsprechend. Besonders sticht hier die Menge-Übersetzung hervor, die nicht nur den Mythos der Kultprostitution weiter propagiert, sondern in Deuteronomium 23,18 auch noch suggeriert, dass nur Frauen diese Tätigkeit ausüben, da die Übersetzung bei den Männern deutlich abweicht und nicht zusätzlich, wie es bei den Frauen geschieht, mit einer Anmerkung „Hierodule“ versehen wurde.

Positiv ist hier die Einheitsübersetzung zu erwähnen, welche zwischen den kultischen und den sexuellen Stellen unterscheidet und in Deuteronomium 23,18 den Hinweis führt: „Geheiligte bzw. Geheiligter sind Bezeichnungen für eine uns nicht näher greifbare Gruppe des Kultpersonals.“ Sie ist somit neben der Zürcher, die konkordant mit „Geweihte/r“ übersetzt, die einzige hier aufgeführte Übersetzung, die nicht von Kultprostitution spricht.[70]

Einen nochmals anderen Weg schlägt die „Bibel in gerechter Sprache“ ein.[71] Sie übersetzt nur in Genesis 38,21f mit „Prostituierte“, ansonsten wird entweder der Ausdruck „Geweihte“ verwendet (1 Könige 14,24; 15,12; 22,47; Hosea 4,14 „geweihte Frauen“) oder aber mit „Kedeschen“ (Deuteronomium 23,18; 2 Könige 23,7) nur eine Umschrift geboten. In erklärenden Anmerkungen wird zu Deuteronomium 23,18; 1 Könige 14,24 und 2 Könige 23,7 ausgeführt, dass es Stimmen gibt, die hier Kultprostitution sehen wollen, diese aber nicht bewiesen ist. „Vermutlich handelt es sich bei diesen ‚Kedeschen‘ um Kultpersonal im Dienste fremder Gottheiten“ (Anm. 115 zu Deuteronomium 23,18). Die BigS ist somit die Übersetzung, die den Stand der Forschung am besten darstellt und eine der wenigen Übersetzungen, die die Fortführung des Mythos „Kultprostitution“ unterbindet.


 

Literaturverzeichnis

Die antiken Bibelversionen werden nach den Editionen in BibleWorks 10 zitiert, der hebräische Text ist der online-Edition der BHS unter https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/biblia-hebraica-stuttgartensia-bhs/lesen-im-bibeltext/ (letzter Abruf: 11.08.22) entnommen. Die konsultierte Edition von Herodots Historien ist unter http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3atext%3a1999.01.0125 (letzter Abruf: 12.08.22) einzusehen.

 

Bindrim, David, Schuld sind die Kanaanäer und die „Versumpftheit beider Geschlechter“. (Kult-)Prostitution im Alten Israel, in: Erotik und Ethik in der Bibel. Festschrift für Manfred Oeming zum 65. Geburtstag (ABG 68), hrsg. von David Bindrim, Volker Grunert und Carolin Kloß, Leipzig 2021, S. 229–244.

____, Die Flamme des Herrn? Eine philologische und theologische Untersuchung der Wurzel אה"ב im Alten Testament (in Vorbereitung).

Bird, Phyllis A., „Of Whores and Hounds: A New Interpretation of the Subject of Deuteronomy 23:19“, VT 65 (2015), S. 352–364.

____, Harlot or Holy Woman? A Study of Hebrew Qedešah. In Collaboration with Anna Glenn, University Park 2019.

Budin, Stephanie L., The Myth of Sacred Prostitution in Antiquity, Cambridge 2008.

Clines, David J.A., The Dictionary of Classical Hebrew, Volume IV, Sheffield 1998.

Connor, Alice, Firece. Women of the Bible and Their Stories of Violence, Mercy, Bravery, Wisdom, Sex, and Salvation, Minneapolis 2017.

Cotter, David W., Genesis (Berit Olam), Collegeville 2003.

Cuffari, Anton, Artikel: „Erbe / Erbrecht (AT)“, in: WiBiLex, erstellt Februar 2008, online einsehbar unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/17604/ (letzter Abruf 13.10.22).

Day, Peggy L., Yahweh’s Broken Marriage as Metaphoric Vehicle in the Hebrew Bible Prophets, in: Sacred Marriages. The Divine-Human Sexual Metaphor from Sumer to early Christianity, hrsg. von Martti Nissinen und Risto Uro, Winona Lake 2008, S. 219–241.

Dearman, J. Andrew, The Book of Hosea (NICOT), Grand Rapids 2010.

Deutsche Bibelgesellschaft (Hg.), Die Bibel. Nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel Revidiert 2017. Mit Apokryphen, Stuttgart 2016.

Dietrich, Walter / Samuel Arnet (Hg.), Konzise und aktualisierte Ausgabe des Hebräischen und Aramäischen Lexikons zum Alten Testament. In Zusammenarbeit mit Manfred Dietrich, Viktor Golinets, Regine Hunziker-Rodewald, Dirk Schwiderski, Leiden – Boston 2013.

Donner, Herbert (Hg.), Wilhelm Gesenius. Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Begonnen von D. Rudolf Meyer. em. Professort an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (†1991) unter zeitweiliger, verantwortlicher Mitarbeit von Dr. theol. Udo Rüterswörden (Leipzig, Bonn) und Dr. theol. Johannes Renz (Berlin), Heidelberg u.a. 182013.

Föllinger, Sabine, Resümee, in: Herodots Quellen – Die Quellen Herodots. Unter Mitarbeit von Krestin Dross-Krüpe (Classica et Orientalia 6), hrsg. von Boris Dunsch und Kai Ruffing, Wiesbaden 2013, S. 323–328.

Grunert, Volker / Carolin Kloß, Virgo intacta, in: Erotik und Ethik in der Bibel. Festschrift für Manfred Oeming zum 65. Geburtstag (ABG 68), hrsg. von David Bindrim und denselben, Leipzig 2021, S. 201–227.

Haas, Volkert, Babylonischer Lustgarten. Erotik und Sexualität im Alten Orient, München 1999.

Havryliv, Oksana, Abgrenzungskriterien im Bereich der Pejorativa: strukturell-semantischer und pragmalinguistischer Aspekt, Wortfolge. Szyk Słów 6 (2022), S. 1–15.

Jost, Renate, Artikel: „Hure / Hurerei (AT)“, in: WiBiLex, erstellt November 2007, online einsehbar unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/21670/ (letzter Abruf 13.10.22).

Kessler, Rainer, Artikel: „Sklaverei (AT)“, in: WiBiLex, erstellt Januar 2019, online einsehbar unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/28970/ (letzter Abruf: 05.10.22).

Köhler, Ludwig / Walter Baumgartner (Hg.), Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. Neu bearbeitet von Walter Baumgartner, Johann J. Stamm und Benedikt Hartmann. Unter Mitarbeit von Ze’ev Ben-ḥayyim, Eduard Y. Kutscher und Philippe Reymond, Leiden – Bosten 32004.

König, Eduard, Hebräisches und aramäisches Wörterbuch zum Alten Testament. Mit Einschaltung und Analyse aller schwer erkennbaren Formen Deutung der Eigennamen sowie der massoretischen Randbemerkungen und einem deutsch-hebräischen Wortregister, Leipzig 1910.

Lau, Daniel, Prostitution in Mesopotamien, in: Prostitution. Ein Begleiter der Menschheit/A Companion of Mankind, hrsg. von Frank Jacob, Frankfurt und andere 2016, S. 501–517.

Miller, Patrick D., Deuteronomy (Interpretation), Louisville 1990.

Musolff, Andreas, Metaphorische Parasiten und „parasitäre“ Metaphern: Semantische Wechselwirkungen zwischen politischem und naturwissenschaftlichem Vokabular, in: Metaphern und Gesellschaft. Die Bedeutung der Orientierung durch Metaphern, hrsg. von Matthias Junge, Wiesbaden 2011, S. 105–119.

Nübing, Damaris, „Von der ‚Jungfrau‘ zur ‚Magd‘, vom ‚Mädchen‘ zur ‚Prostituierten‘: Die Pejorisierung der Frauenbezeichnungen als Zerrspiegel der Kultur und als Effekt männlicher Galanterie?“, GGSG 2/1 (2011), S. 344–359.

Nyberg, Kristel, Sacred Prostitution in the Biblical World?, in: Sacred Marriages. The Divine-Humand Sexual Metaphor from Sumer to early Christianity, hrsg. von Martti Nissinen und Risto Uro, Winona Lake 2008, S. 305–320.

Pratchett, Terry, Guards! Guards!, London 1989.

____, Men At Arms, London 1994.

____, Night Watch, London 2003.

Riegner, Irene E., The Vanishing Hebrew Harlot. The Adventures of the Hebrew Stem ZNH (SBL 73), New York u.a. 2009.

Rudnig, Thilo A., Artikel: „Heilig / profan / Heiligkeit (AT)“, in: WiBiLex, erstellt April 2014, online einsehbar unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20869/ (letzter Abruf: 12.08.22).

Sals, Ulrike, Die Biographie der ‚Hure Babylon‘. Studien zur Intertextualität der Babylon-Texte in der Bibel (FAT, 2. Reihe 6), Tübingen 2004.

Schorsch, Stefan, Euphemismen in der Hebräischen Bibel (OBC 12), Wiesbaden 2000.

Speiser, Ephraim A., Genesis (AB 1), New Haven – London 1964.

Stark, Christina, „Kultprostitution“ im Alten Testament? Die Qedeschen der Hebräischen Bibel und das Motiv der Hurerei (OBO 221), Fribourg – Göttingen 2006.

Sweeney, Marvin A., The Twelve Prophets. Volume One. Hosea Joel Amos Obadiah Jonah (Berit Olam), Collegeville 2000.

Swope, Karen K., Artikel: „Seamstresses“, in: Encyclopedia of Prostitution and Sex Work, hrsg. von Melissa H. Ditmore, Bd. 2, Westport – London 2006, S. 431f.

Uhlig, Torsten, Art.: „Gräuel“, in: WiBiLex, erstellt Nov. 2016, online einsehbar unter https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20132/ (letzer Abruf: 11.08.22).

Wacker, Marie-Theres, „Kultprostitution“ im Alten Israel? Forschungsmythen, Spuren, Thesen, in: Tempelprostitution im Altertum. Fakten und Fiktionen, hrsg. von Tanja S. Scheer und Martin Lindner, Berlin 2009, S. 55–84.

Wahl, Marina, „You’ve got a friend in me“ – Figurenkonzeptionen des narrativen computeranimierten Films am Beispiel der Pixar-Studios (Schriften zur Medienwissenschaft 47), Hamburg 2021.

Walsh, Jerome T., 1 Kings (Berit Olam), Collegeville 1996.

Wolff, Hans W., Dodekapropheton I. Hosea (BL XIV/1), Göttingen 41990.


 

[1] Vgl. hierzu etwa Wacker, „Tempelprostitution“, S. 56–62; Stark, Kultprostitution, S. 8–52; Jost, Artikel: «Hure», Abschnitt 3.1.

[2] Darin ist die Lutherbibel nicht alleine, wie der kursorischen Darstellung einiger Bibelübersetzungen im Anhang entnommen werden kann.

[3] Bindrim, Schuld, 244.

[4] Der folgende Unterpunkt bietet eine Zusammenfassung aus Bindrim, Schuld, passim, besonders 232–240.

[5] Wolff, Hosea, 110.

[6] Wolff, Hosea, 14.

[7] Lau, Prostitution, 502, vgl. auch Föllinger, Resümee, 327. Stark, Kultprostitution, 218 spricht von einer „literarischen Fiktion“.

[8] Eine Besprechung der altorientalischen Belege und ihre Verbindung zum biblischen קָדֵשׁ soll an dieser Stelle nicht erfolgen, da hierfür weit in das Problemfeld Etymologie und Sprachvergleich und deren Methodik ausgegriffen werden müsste, was in einem gesonderten Aufsatz geschehen soll. Hier sei nur darauf verwiesen, dass die Belege aus Mesopotamien sowohl zeitlich (3. bis 1. Jahrtausend vor Christus) als auch räumlich (gesamter Antiker Orient) zu disparat sind, als dass daraus eine allgemeingültige Beschreibung von qadištu(m)-Frauen abgeleitet werden kann. Auch ist die Herleitung der Prostitutionsaspekte anhand von sumerisch-akkadischen Wortlisten schwierig. Hinzu kommt, dass überhaupt eine Entlehnung von qadištu(m) ins Hebräische als קְדֵשָׁה zu hinterfragen ist, da 1. die Wurzel קד"שׁ als allgemeinsemitisch anzusehen ist und 2. die Bildungstype qaṭil für Adjektive ebenfalls nicht auffällig ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Hebräische und das Akkadische unabhängig voneinander zu einer Bezeichnung „Heilige(r)“ für eine Form für Kultpersonal gekommen sind. In diesem Fall ginge von vorneherein jegliche Ableitung aus Mesopotamien fehl.

[9] Haas, Liebesgarten, 27–28.

[10] Vgl. Nyberg, Prostitution, 318–319.

[11] Vgl. unter anderem Bird, Harlot, 104; Wacker, Kultprostitution, 55.

[12] Vgl. auch Jost, Artikel „Hure“, Abschnitt 3.2.

[13] Für einen konzisen Überblick über das Konzept der „Kulthöhen“ vgl. Dearman, Hosea, 164–165.

[14] Die hier gebotene Übersetzung deutet die letzte Constructus-Verbindung als Apposition zu בָּתֵּי הַקְּדֵשִׁים „die Häuser der Qedeschen“. Diese Interpretation ist nicht die einzig mögliche. Diskutiert wird vor allem, dass der Ausdruck בָּתִּים לָאֲשֵׁרֽה entweder bildlich (schützende Hülle um die Statue) zu verstehen sei (so schon Vulgata und Peschitta zur Stelle, vgl. auch Radak zur Stelle) oder aber der Text in בַּדִּים לָאֲשֵׁרֽה oder כַּתִּים לָאֲשֵׁרֽה (vgl. Septuaginta zur Stelle) „Kleidung für Aschera“ zu konjizieren sei, um das Objekt des Webens zu bezeichnen.

[15] Vgl. etwa Wacker, „Kultprostitution“, 71.

[16] Eine Besprechung fehlt daher auch in Schorsch, Euphemismen, passim.

[17] In den berühmten „Scheibenwelt“-Romanen von Terry Pratchett wird der Ausdruck „Näherin“ (englisch: „seamstress“) als Euphemismus für Prostituierte benutzt (vgl. die „Wachenromane“ Pratchett, Guards! Guards!; derselbe, Men at Arms und derselbe, Night Watch). Pratchett stützt sich hierbei auf eine Episode der US-Amerikanischen Geschichte. Im 19. Jahrhundert wurde „seamstress“ als Euphemismus für Prostituierte benutzt, auch wenn die Entstehung des Ausdrucks nicht ganz klar ist, vgl. Swope, Artikel: „Seamstresses“, 431–432.

[18] Dass der Ausdruck als Kollektivsingular gebraucht ist, zeigt die Syntax, die ad sensum mit dem pluralischen Verb im Relativsatz gebildet ist. Die Übersetzung glättet hier bewusst, um verständlich zu sein.

[19] Vgl. etwa Wolff, Hosea, 110; Bullough/Bullough, Women, 29; Borström, Proverbiastudien, 124.

[20] Vgl. Walsh, 1 Kings, 207.

[21] Sals, Biographie, 89–90.

[22] Vgl. Levitikus 18,26–30; Deuteronomium 18,9.12.18; 32,16; 1 Könige 14,29; 2 Könige 16,3; 21,2.11; Jeremia 7,10; 16,18; 44,22; Ezekiel 5,9.11; 6,9.11; 7,3.4.8.9.20; 8,6(2x).9.13.15.17; 9,4; 11,18.21; 12,16; 14,6; 16,2.22.36.43.47.51(2x).58; 18,13.24; 20,4; 22,2; 23,36; 33,29; 36,3; 43,8; 44,6.7.13; Proverbia 6,16; Esra 9,1.11.14; 2. Chronik 28,3; 33,2; 34,33; 36,8.14. Die beiden Belege Psalm 88,9 und Proverbia 26,25 sind nicht kultisch aufgeladen.

[23] Uhlig, Artikel: „Gräuel“, ohne Seitenangabe.

[24] Der Vorwurf der „Sünde Jerobeams“ erscheint innerhalb der Königebücher in vier verschiedenen Formulierungen. Die häufigste Form ist חַטֹּאות יָרָבְעָם „die Sünden Jerobeams“ in 1 Könige 14,16; 15,30; 16,31; 2 Könige 3,3; 10,31; 13,2.11; 14,24; 15,9; 18,24.28; 17,22. Danach kommt die Formel דֶּרֶךְ יָרָבְעָם „der Weg/Wandel Jerobeams“ in 1 Könige 15,34; 16,2.19.26; 22,53 vor. Die Formulierungen חֲטָאֵי יָרָבְעָם „die Sünden Jerobeams“ und חַטֹּאות בֵּית יָרָבְעָם „die Sünden des Haus Jerobeam“ finden sich mit 2 Könige 10,29 respektive 2 Könige 13,6 jeweils nur einmal.

[25] Vgl. auch Walsh, 1 Kings, 207: „Kings of Israel are condemned without exception, usually for following the ‚sin of Jeroboam.‘“

[26] Wacker, „Kultprostitution“, 70.

[27] Walsh, 1 Kings, 209.

[28] Oder: „Was gibst du mir, wenn du zu mir eingehst“.

[29] Dass פְתִילֶךָ eine Defektivschreibung eines Suffixes am Plural darstellt und nicht „deine Schnur“ zu übersetzen ist, wird in Vers 25 deutlich. Die Form selbst ist ambig.

[30] So mit dem masoretischen Text. Der Text scheint zu suggerieren, dass Juda nicht nur seine Schwiegertochter nicht erkennt, sondern dass er sogar in ihren Heimatort kommt und trotzdem nicht mit ihr rechnet. Diese Lesung unterstreicht die negativen Eigenschaften Judas noch mehr, um im großen Erzählbogen seine „Läuterungsrede“ in Genesis 44 umso erstaunlicher werden zu lassen. Von einem selbstgerechten Menschen, der nur auf sich selbst bezogen ist und zweifelhafte Entscheidungen trifft, wird Juda so zum Schutz für seinen Bruder, der sich selbstlos opfern möchte. In den antiken Versionen ist jedoch weder in der Septuaginta (τοὺς ἄνδρας τοὺς ἐκ τοῦ τόπου), noch im Targum Onqelos (‎אֲנָשֵׁי אַתרַה), noch in der Peschitta (‎ܠܐܢܫܝ ܐܬܪܐ) das Suffix belegt. Lediglich die Vulgata (gegen Septuaginta!) liest homines loci illius „die Menschen ihres Ortes“, und stützt somit die Lesart des masoretischen Textes. In Kommentaren wird häufig unnötigerweise zu „that place“ (Speiser, Genesis, 296) oder ähnliches konjiziert.

[31] Cotter, Genesis, 332.

[32] Vgl. auch ähnlich Wacker, „Kultprostitution“, 79.

[33] Vgl. Jost, Artikel „Hure“, Abschnitt 3.2.

[34] In diese Richtung scheint Speiser, Genesis, 300 zu denken, wenn er schreibt: „But when his friend Hirah seeks to redeem the pledge, he asks for the local qedẹ̄šā [sic] (votary, hierodule, cult prostitute), in order to place the affair on a higher social level.“ Diese Argumentation vermag jedoch nur dann zu überzeugen, wenn man den Mythos der Kultprostitution akzeptiert. Schorsch, Euphemismen, passim bespricht Genesis 38,21f nicht.

[35] Zum Unterschied zwischen Pejorativa und Schimpfwörtern vgl. Havryliv, Abgrenzungskriterien, 6.

[36] Vgl. Wahl, Friend, 74–79.

[37] Zu der Einteilung von Genesis 12–50 nach Generationen anstelle von Hauptfiguren vgl. etwa Cotter, Genesis, 79–337, besonders 263–328 („In the Time of the Fourth Generation“).

[38] Speiser, Genesis, 299. Die anschließende Behauptung, dass sie als „virgins“ (ebenda) den Dienst anzutreten gehabt hätten und „any subsequent promiscuity was ritually conditioned“ (ebenda) ist jedoch zu verwerfen. Zur Problematik der „Jungfrau“ vgl. zudem Grunert/Kloß, Virgo, passim.

[39] Vgl. Speiser, Genesis, 300.

[40] Vgl. Cotter, Genesis, 331f.

[41] Nebenbei bemerkt sei hier, dass an diesem Punkt der Erzählung noch unklar ist, wer durch diese Notiz gerechtfertigt werden soll. Es ist auch möglich, hier eine Entlastung Judas von einem möglichen Ehebruch zu sehen. Angesicht des Ausrufs Judas „sie ist gerechter als ich“ (Vers 26) wird aber im Nachhinein die Absicht der Erzählung deutlich, Tamars Handeln als rechtens zu kennzeichnen, während Juda sein Wort bricht (Vers 11) und gegen das Gesetz (vgl. Deuteronomium 25,5–10) verstößt.

[42] Die Konstruktion von Adjektiv + Präposition מִן ist als Komparativ zu übersetzen. Die Übersetzung in Luther 17 „Sie ist gerecht, ich nicht“ ist zwar nicht ungewöhnlich, aber falsch. Judas Handeln ist bis auf das Vorenthalten der Leviratsehe nicht zu verdammen und sicherlich ist der Sexualakt an sich nicht verwerflich, aber an die Gerechtigkeit Tamars reicht er nicht heran. Vgl. auch die Auslegung in Connor, Fierce, 11–18.

[43] Wie Bird, Whores, 352f zurecht festhält, ist das Verbum im maskulin konstruiert, was die Frage aufwirft: „What is a man doing paying vows with a prostitute’s fee?“ (Bird, Whores, 353). Diese Inkongruenz scheint meines Erachtens auf der formelhaften Anrede der Adressaten von Gesetzen in der 2. maskulin Singular zu beruhen (ein Prohibitiv 2. feminin Singular ist in diesem Kontext nicht belegt) und darf nicht überstrapaziert werden.

[44] Kessler, Artikel: „Sklaverei“, Abschnitt 4.3.

[45] Craigie spricht von „dirty money“ (zitiert in: Miller, Deuteronomy, 162).

[46] Zum pejorativen Gebrauch von Hunden in alttestamentlichen Texten vgl. Jost, Artikel: „Hure“, Abschnitt 3.2.

[47] Vgl. HALAT, 453 (= KAHAL, 246; Hervorhebung im Original). König, Wörterbuch, 178 formuliert zurückhaltender mit „schamlose Person“, scheint aber in die gleiche Richtung zu gehen. Gesenius 18, 546 gibt ebenfalls „männl[icher] Prostituierte“ als Übersetzung an. In Clines, Dictionary, Band 4, 415 heißt es hingegen nur „perh[aps] devotee of god*“ (Hervorhebung im Original).

[48] Wacker, „Kultprostitution“, 74; vgl. auch Jost, Artikel „Hure“, Abschnitt 3.2. Wacker spricht sich dennoch dafür aus, dass die Verse 18 und 19 zusammen zu lesen seien und es sich daher um „eine durch den Kontext hergestellte rhetorische Verunglimpfung der Qedeschen [handelt], die – auffälligerweise nur die weiblichen Angehörigen dieser Gruppe! – mit gewerblichen Prostituierten auf eine Stufte“ stellt (ebenda). Allerdings ist diese Argumentation nicht überzeugend, da sie nur Bestand hat, wenn man beide Verse insgesamt parallel sieht. Die strikte Trennung in Frauen und Männer, welche hier gesehen wird, ist nicht belegt. Einem einzelnen Vers, der in seiner Deutung zur Hälfte unklar ist und dessen Bezug nicht gesichert ist, kann daher nicht die Deutungshoheit über das Gesetz in Vers 18 gegeben werden.

[49] Vgl. Bird, Whore, 363–364, Zitat 363.

[50] Das Suffix 3. feminin Singular bezieht sich grammatikalisch nur auf אֵלָה „Terebinthe“. Es scheint jedoch pars pro toto für alle großen Bäume zu stehen.

[51] Das Pronomen הֵם steht im maskulin Plural und bezieht sich daher logisch auf die Männer der zuvor genannten Frauen. Ebenso lesen auch Septuaginta, Targum Onqelos und Peschitta zur Stelle. Die Form in Vulgata (ipsi) ist offen und könnte auch auf die Frauen gedeutet werden. Vgl. etwa auch Sweeney, Prophets, 49 und vor allem Dearman, Hosea, 165: „A straightforward meaning could be that although the women are guilty, YHWH will overlook their transgression, since men too are engaged with prostitutes in sacrificial activity.“ Diese Auffassung wird abzüglich der letzten drei Wörter auch hier vertreten.

[52] Die Wurzel נא"ף wird in den Metaphernreden in Hosea nur in Hosea 4,2.13.14 und Hosea 7,4 benutzt. Der Beleg in Hosea 3,1 liegt zwischen Sach- und Bildebene, da hier eine Zeichenhandlung beschrieben wird, die Hosea vornehmen soll, indem er eine „ehebrecherische Frau“ heiraten soll. Zu Hosea 3 vgl. Bindrim, Flamme, (in Vorbereitung).

[53] Dearman, Hosea, 166.

[54] Zu dieser Problematik der Exegese, gerade an prophetischen Beispielen, sei ausdrücklich auf Day, Marriage, passim verwiesen.

[55] So gliedert etwa Sweeney, Prophets, 43 Hosea 4,1–19 in die Teile Verse 1–3; 4–14 und 15–19.

[56] Dearman, Hoesa, 166 spricht von einem „somber judgment“, welches am Ende des Verses 14 über das unverständige Volk ergeht.

[57] Dieser Abschnitt war als Exkurs bereits in Bindrim, Schuld, 235–237 enthalten.

[58] Zur Besprechung dieses Ausdrucks vgl. Bindrim, Schuld, 236, Anmerkung 32.

[59] Vgl. das „Heiligen“ des Sabbats, vgl. Rudnig, Artikel: „Heilig“, Abschnitt 4.

[60] Vgl. Stark, Kultprostitution, 115–207; Riegner, Harlot, 30–38 (sie geht nicht einmal auf קָדֵשׁ ein).

[61] Wacker, „Kultprostitution“, 67.

[62] Jost, Artikel „Hure“, Abschnitt 3.2.

[63] Zu dieser Problematik vgl. Cuffari, Artikel „Erbe“, Abschnitt 2.

[64] Liest man die Stellen in 1 Könige und 2 Könige, so kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass es sich bei den Qedeschen um eine niedere Priesterkaste oder um Helfer bei den Opfern handelt. Die Rolle, die sie in Hosea einnehmen, ist eng mit dem Räuchern verbunden, das ja als Handlung von den Laien durchgeführt werden kann und von daher wohl nur der Anleitung niederer Priester bedürfte. Allerdings ist diese Überlegung spekulativ.

[65] Bird, Harlot, 334. Vgl. ebenso Budin, Myth, 20; Riegner, Harlot, 19–38.

[66] Einen ähnlichen Prozess konnte etwa Musolff, Parasiten, passim nachzeichnen. Da für „Parasit“ das Belegmaterial deutlich umfangreicher ist, konnte hier der Bedeutungswandel durch die Jahrhunderte verfolgt werden: „Zunächst vom sozialen zum biologischen Bedeutungsbereich und später vom biologischen Bereich wieder zum sozialen, wobei jedes Mal neue semantische Aspekte hinzugefügt wurden“ (Musolff, Parasiten, 112). Nübing stellt fest, dass die Pejorisierung von Frauenbezeichnungen im Deutschen „nichts mit dem Verlust [an semantischem Inhalt], sondern mit einem Zuwachs an Semen zu tun“ hat (Nübing, ‚Jungfrau‘,357). Allerdings bleiben in ihren Beispielen die bezeichneten Größen gleich, nur die Bewertung durch die Sprecher ändert sich. Es scheint daher verschiedene Pejorisierungsprozesse zu geben, von denen der der Qedeschen eine Art, der von Jungfrau eine andere Art darstellt. Ich danke Katharina Bremer für die Hilfe bei der Recherche zur semantischen Verschiebung durch Pejorisierung.

[67] Wacker, „Kultprostitution“, 80 verweist bereits in die richtige Richtung, wenn sie für Genesis 38 festhält: „Tamar kann im Text als Qedesche bezeichnet werden, weil dieser Begriff, insbesondere über die im Hoseabuch greifbare Kultpolemik, die Konnotationen von Prostitution erhalten hat, ohne dass damit die Lebensrealität der Qedeschen bereits berührt wäre.“

[68] In Hosea 4,14 scheint das Verwerfliche der Punkt zu sein, dass der Kult nicht am Zentralheiligtum in Jerusalem durchgeführt wird. Da jedoch in 2 Könige 23,7 die Qedeschen im Jerusalemer Tempel selbst erwähnt werden, könnte es auch die angedeutete Assoziation mit dem Ascherakult sein. Als Indiz ließe sich anführen, dass im Kontext von 1 Könige 14,24 und 15,12 auch Aschera genannt wird. Inwiefern diese beiden jedoch zusammenhängen, lassen die Texte offen. Die Verbindung bleibt unsicher, so dass eine Gleichsetzung von קָדֵשׁ mit „Ascherapriester“ zu gewagt ist.

[69] Zitiert werden diese Übersetzungen nach bibleserver.com (letzter Zugriff: 12.08.2022).

[70] Zürcher verweist nur in Deuteronomium 23,18 in einer Anmerkung darauf, dass „manche meinen, es handle sich um Kultprostitution.“

[71] Online einsehbar unter https://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/die-bibel/bigs-online/ (letzter Abruf: 17.08.22).

Pour avoir le meilleur résultat d'impression utilisez le download du file pdf, s.v.p.

David Bindrim,

studierte evangelische Theologie, Geschichte und Hebräisch an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er im Juli 2022 eine Promotion (PhD Biblical Studies) bei Manfred Oeming und Viktor Golinets abschloss.

© David Bindrim, 2022, lectio@theol.unibe.ch, ISSN 1661-3317

 
 
 
 

Retour

top